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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

"Stolpersteine" in der Breitscheidstraße

Am 28. April wurden "Stolpersteine" in der Stuttgarter Breitscheidstraße vom Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt. In Stuttgart gibt es in verschiedenen Stadtbezirken eine Gruppe aktiver Bürgerinnen und Bürger, die diese Aktion unterstützen.

"Stolpersteine" sind Gedenksteine, die an jüdische Bürger, Sinti und Roma, politisch verfolgte Bürger, Homosexuelle, Zeugen Jehovas oder Behinderte erinnern sollen, die während des Nationalsozialismus umgebracht wurden. Diese Steine werden vor dem jeweiligen Wohnhaus verlegt. Sie sind Pflastersteine, die aus Beton gegossen und an der Oberseite mit einer 10x10 cm großen Messingtafel versehen sind. Auf dieser Messingtafel wird mit Schlagbuchstaben der Text "Hier wohnte" und der Namen, das Geburtsdatum und das weitere Schicksal der Person eingestanzt.

Im Rahmen einer Projektarbeit hatten zwei Schülerinnen des Instituts Dr. Flad, Branka Juric und Aleksandra Rimay-Simolka, die Schicksale von Juden in der Militärstraße (der heutigen Breitscheidstraße) recherchiert. Für drei der verlegten Stolpersteine übernahm das Institut Dr. Flad die Patenschaft. Diese wurden vor den Häusern Nr. 35 und 49 in Gedenken an Siegfried Rosenfeld, Charlotte Behr und Familie Rosenfeld, Mutter Theresia und ihre zwei Töchter Betty und Charlotte, verlegt.

Branka Juric und Aleksandra Rimay-Simolka, LG 55

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v.l.n.r.: Branka Juric, Aleksandra Rimay und Günter Demnig

 

Das Kunstprojekt "Stolpersteine"

Bereits 1993 verfolgt Künstler Günter Demnig das Projekt "Stolpersteine"

Stolpersteine sind Gedenksteine. die an die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgten, Homosexuellen Zeugen Jehovas und Behinderten erinnern sollen.

Diese werden von dem Künstler vor ihren ehemaligen Wohnhäusern in den Bürgersteig gesetzt. Die Pflastersteine sind aus Beton gegossen und an der Oberseite mit einer zehn mal zehn Zentimeter großen MessingtafeI versehen, in die der Künstler mit Hammer und Schlagbuchstaben HIER WOHNTE und darunter Name, Geburtsdatum und das weitere Schicksal jedes einzelnen Menschen einstanzt.

Der erste Stolperstein wurde im Jahr 2000 verlegt. Seitdem wurden über 7000 Steine in 126 deutschen Städten und im europäischen Ausland verlegt.

Für 95 Euro kann jeder die Patenschaft für die Verlegung und Herstellung eines Stolpersteins übernehmen.

Vor dem Gebäude in der Breitscheidstraße 35, ehemalige Militärstraße 35, werden am 28.4.06 drei Stolpersteine in Gedenken an Charlotte Behr, Theresia Rosenfeld und in der Breitscheidstraße 49 für Siegfried Fleursheimer verlegt.

 

Unter dem Schlagwort "Juden in jüdische Häuser" bedeutete das für viele jüdische Bewohner Deutschlands eine Vertreibung aus ihren jahrzehntelang bewohnten Wohnungen.
Am 10. August 1939 erschien im Amtsblatt der Stadt Stuttgart Die Regelung der Mietverhältnisse mit den Juden in Stuttgart".
Sämtliche Juden in Stuttgart im "arischen'' Hausbesitz werden öffentlich aufgefordert, sich bis spätestens 1. Dezember 1939 in jüdischen Hausbesitz einzumieten.
Bei jüdischen Häusern. die "hundertprozentig arisch" belegt sind, fällt die Einmietung von Juden vorläufig weg. Für Juden, die vor dem 4. Mai 1939 in Stuttgart wohnhaft gewesen sind, ist hier kein Wohnraum mehr vorhanden. Vollständig "arisch" belegte jüdische Häuser dürfen nicht für Juden frei gemacht werden dazu sei die Wohnungsnot in Stuttgart zu groß.

 

größer Ein so genanntes Judenhaus war auch das in der Militärstraße 35, heute Breitscheidstraße 35

Das ursprüngliche Haus existiert leider nicht mehr. Heute steht dort ein Nachkriegsgebäude! Das Haus in der Militärstraße 35 gehörte Benjamin Rosenfeld. Er war Kaufmann und Inhaber der Firma B. Rosenfeld, Maschinenöle und Putzwollfabrik, in der Militärstraße 39, Hinterhaus.

Bereits 1998 ist B. Rosenfeld als Eigentümer im Adressbuch eingetragen. Er wohnte auch dort mit seiner Familie, Ehefrau Theresia und drei Töchtern.

Benjamin Rosenfeld starb im August 1937. Das Haus gehörte dann den B. Rosenfeld Erben. 1939 steht das Deutsche Reich als Eigentümer im Adressbuch der Stadt Stuttgart.

Theresia Rosenfeld, geborene Mayer, geboren am 26.7.1872 in Homberg, Kreis Alsfeld. Sie wohnte mit Familie im 2. Stock, in einer 6 Zimmer Wohnung, in der Militärstraße 35. Umgesiedelt wurde sie 1942 ins jüdische Altersheim nach Dellmensingen. Genau zwei Koffer und einen Teppich durfte sie dorthin mitnehmen. Theresia Rosenfeld wurde am 22.08.1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort weiter nach Treblinka. Sie wurde 70 Jahre alt.

Charlotte Behr, geborene Mayer, wurde am 30.11.1869 in Homberg, Kreis Alsfeld, geboren. Sie wird als Kaufmanns-Ehefrau, später als geschieden vermerkt.

Von 1911 his 1927 wohnte sie in der Militärstraße 35, im 2. Stock bei Familie Rosenfeld. Theresia Rosenfeld war vermutlich die Schwester von Charlotte Behr. Bis 1940 wohnte Charlotte Behr im 5. Stock. 1941 zog sie wieder in die Wohnung von ihrer Schwester.

Auch sie wurde 1942 nach Dellmensingen ins jüdische Altersheim umgesiedelt und dann am 22.8.19.12 nach Theresienstadt und am 26.9.1942 weiter nach Osten deportiert. Nach neuen Informationen (Theresienstädter Gedenkbuch, 2000) kam Charlotte Behr nach Treblinka. Dort ist sie verschollen. Sie wurde 73 Jahre alt.

1941 und später ist Charlotte Behr in dem Verzeichnis der Behörden, Mitglieder und Vereine der israelitischen Gemeinde Stuttgart als Mitglied verzeichnet.

 

Breitscheidstraße 49 ehemalige Militärstraße 49

größer HIER WOHNTE

Siegfried Fleursheimer
Kaufmann, Fabrikant,
geboren am 26.6.1864 in Breisach,
deportiert am 22.8.1942 nach Theresienstadt,
gestorben am 7.9.1942 in Theresienstadt. Er wurde 78 Jahre alt.

Seine erste Ehefrau war Lina, geborene Richheimer, geboren am 28.11.1869, gestorben am 17.3.1940. Er war Teilhaber der Firma Heinrich Richheimer &Cie, Lederwaren- und Reiseartikel, Ludwigstraße 47, Hinterhaus. Siegfried Fleursheimers erste Ehefrau war eine geborene Richheimer. Es ist also anzunehmen, dass er Teilhaber der Firma seines Schwagers oder Schwiegervaters war. Das Ehepaar Lina und Siegfried Fleursheimer wohnte seit 1898 in der Militärstraße 49, heute Breitscheidstraße 49. Das Haus steht heute noch.

Als Witwer wurde er am 2.3.1942, vermutlich zwangsweise, umgesiedelt nach Buchau am Federsee. Dort heiratete er am 29.7.1942 die Witwe Hermine Mayer, geborene Heli. Hermine Fleursheimer bekam 2005 zusammen mit ihrem ersten Ehemann, Emil Mayer, in Stuttgart-Süd in der Arminstraße 38 einen Stolperstein. Hermine, geborene Heli, wurde am 7.5.1876 in Vallendar geboren und am 22.8.1942 nach Theresienstadt deportiert, am 23.9.1942 weiter nach Osten, vermutlich nach Treblinka. Bereits 1941 war Siegfried Fleursheimer Mitglied der jüdischen Gemeinde Stuttgart. Das Geschäft befand sich zu jener Zeit in der Senefelderstraße 68 B.

Laut dem Gedenkbuch "Maria Zelzer", S. 470, gab es 1932 einen Fabrikanten Heinrich Richheimer, Kasernenstraße 48 B (Leuschnerstraße 48 B), Teilhaber der Firma Heinrich Richheimer & Cie, Ludwigstraße 47, zuletzt in Eschenau.
Er wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er im gleichen Jahr starb. Vermutlich war er der Bruder von Lina Fleursheimer.

Recherchiert:
Wolfgang Kress (Familie Rosenfeld)
Margot Weiß (Charlotte Behr und Siegfried Fleursheimer)
Aleksandra Rimay und Branka Juric (Militärstraße 35 sog. Judenhaus)

 

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Immer mehr Stolperstein-Initiativen
Im Spätherbst werden weitere Steine verlegt

Alle Stuttgarter Stolperstein-Initiativen trafen sich im Alten Feuerwehrhaus in Heslach zum Gedankenaustausch und zur besseren Vernetzung ihrer Arbeit.

Stolpersteine sind 10x10 ein groß, aus Beton gegossen und mit einer Messingplatte versehen, auf der Name, Geburtsjahr und Leidensweg eines zumeist jüdischen Opfers des Nationalsozialismus eingraviert ist. Sie sind bündig in öffentliche Gehwege eingelassen, damit niemand zu Schaden kommen kann, denn "stolpern" soll man nur im Geiste, soll sie im Vorübergehen sehen, kurz innehalten und die Eingravierung lesen. Stolpersteine sind Kleindenkmale, ein Zeichen der Erinnerung. Mit ihnen sollen die Opfer aus der Anonymität herausgeholt werden, dort., wo sie gewohnt und gelebt haben - mitten unter uns. In Stuttgart wurden von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, der im letzten Jahr für sein Projekt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, bisher mehr als 120 Stolpersteine verlegt, bundesweit waren es in den letzten sechs Jahren über 7000.

Forschen nach Namen von Opfern

Nach Initiativen in Stuttgart-Ost. und später in Süd, die den Anfang gemacht haben, gibt es mittlerweile ehrenamtliche Stolperstein-Initiativen in allen fünf Innenstadtbezirken, sowie in den Stadtbezirken Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen, in den Neckarvororten mit Uhlbach, Untertürkheim und Wangen, den Fildervororten und in Vaihingen, wo sich die Initiative am 17. Februar gebildet hat. Außerdem entstanden Arbeitsgruppen, die sich schwerpunktmäßig um einzelne Opfergruppen kümmern, die nur schwer fassbar sind, wie Sinti und Roma, Homosexuelle, Euthanasieopfer.

Alle Initiativen forschen nach den Namen von Opfern in ihrem Stadtbezirk oder ihrer Opfergruppe, damit ein Stolperstein verlegt werden kann. Da in Stuttgart und Bad Cannstatt Synagogen standen, konnten die einzelnen Initiativen in der Innenstadt und in Bad Cannstatt teilweise mehrere hundert Namen von Opfern ermitteln. In den Außenbezirken fallen diese Zahlen stark ab, da vergleichsweise nur wenige jüdische Opfer dort gewohnt haben. Dafür treten hier andere Gruppen verstärkt ins Blickfeld, beispielsweise der politische Widerstand in den Neckarvororten oder das Zwangsarbeiterlager auf der Zuffenhäuser Schlotwiese.

Namen mit Leben erfüllen

Allen Initiativen geht es nicht nur um die Erforschung der Namen von Opfern, sondern auch darum, diese Namen mit Leben zu erfüllen: Wie lebten diese Mitbürgerinnen und Mitbürger bis zu ihrer Ausgrenzung, wie sah ihr Leidensweg aus. Die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen sind dabei auch auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen, auf Erinnerungen, schriftliche Zeugnisse und Bilder. Gunter Demnig ist inzwischen in rund 130 Städten tätig, erstmals in diesem Jahr auch im benachbarten Ausland. In Stuttgart konnte er deshalb Ende April nur an zwei Tagen Stolpersteine verlegen. Alle Initiativen waren sich deshalb in dem Ziel verbunden, Verlegungen von Stolpersteinen breit über Stuttgart verteilt zu ermöglichen. Schließlich einigte man sich darauf, dass Ende April weitere Stolpersteine in Ost, Süd, West, Mitte und Degerloch sowie erstmals Stolpersteine in Nord, den Neckarvororten und Bad Cannstatt verlegt werden sollen. Voraussichtlich wird im Spätherbst Gunter Demnig erneut an zwei Tagen nach Stuttgart kommen. Dann sollen erste Steine auch in Feuerbach und Zuffenhausen verlegt werden.

Mehr über die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen und ihre Ansprechpartner finden sich im Internet unter www.stolpersteine-stuttgart.de.

(aus "IN mai 06" des Evangelischen Stadtverbandes Stuttgart)