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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Theateraufführung "Rechte und Pflichten - wozu Regeln?"

Aufführung am 29. März 2006 im Theaterhaus Stuttgart

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Wozu sind Regeln da?

Ohne Regeln würde auf der Welt nichts funktionieren. Deshalb gibt es die Naturgesetze und gesellschaftlichen Normen. Wo aber endet der Nutzen einer Regel? Wo setzt die Freiheit des Individuums ein? Und wo wird es fast schon zur "Pflicht", dem eigenen Gewissen zu folgen? Dieser Frage sind Schüler des Instituts Dr. Flad nachgegangen - in Ihrem selbst geschriebenen Theaterstück "Alles was Recht ist", das im Stuttgarter Theaterhaus Premiere hatte.

Aus einem Abstraktum eine Szene machen

Für die Inszenierung des Themas wurde die Technik des "Episodentheaters" gewählt, mit einführenden Kommentaren und gespielten Szenen. Und Dialogen, die nachdenklich machen: "Was wäre die Erfüllung der Pflicht, wenn sie keine Opfer kostete"? Das Stück brilliert mit inhaltlichem Tiefgang und einer modernen, frischen Inszenierung. Man erkennt sofort die professionelle Unterstützung durch den Regisseur Andreas Frey und staunt über die Qualität der Requisiten, Kostüme und Masken von Michaela Knepper (beide vom "DEIN Theater"). Eine gelungene Darbietung, für das Auge und für den Verstand. Erst recht, wenn man bedenkt, dass es selbst geschrieben und in eigener Regie entwickelt wurde.

Von den 10 Geboten bis zur Postmoderne wird unsere gesamte Kulturgeschichte gestreift. Es wird gestaunt und geraunt, wenn Frau Ethik leibhaftig die Bühne betritt, Antigone und Martin Luther zum Leben erwachen, das Dritte Reich oder die DDR neu auferstehen. Und es wird schallend gelacht, wenn der jugendliche "Harold" gesteht (eine Anspielung auf Harold & Maude), eine über 80-Jährige zu lieben - und Mutter, Verwandte, Priester oder Psychologinnen sich moralinsauer darüber aufrege(l)n. Schlagfertig wird der Sinn und Unsinn von Regeln in Form von Streitszenen dem Publikum vor Augen geführt. Aus einem abstrakten Stoff wird eine Szene - Theater zum Anschauen, zum Anfassen. Und zum Verstehen dessen, "was die Welt im Innersten zusammenhält".

Kritische Antworten auf knifflige Fragen
Das Stück verzichtet auf den erhobenen Zeigefinger, ohne der Beliebigkeit eines modernen laissez-faire Raum zu geben. "Wenn die Pflicht ruft, gibt es viele Schwerhörige", wird an einer Stelle süffisant bemerkt. Es setzt sich kritisch mit dem Thema auseinander und "bricht es" aus verschiedenen Perspektiven. Zwar lässt sich die Antwort aller Antworten - jedenfalls im wissenschaftlichen Sinne - nicht geben. Doch es wird klar, dass Regeln nötig sind, wenngleich sie nicht blind befolgt werden dürfen. Institutsleiter Wolfgang Flad sprach den Künstlerinnen und Künstlern ein großes Kompliment für ihre Arbeit aus. Und bei einem Blick in seine Augen hat man das Gefühl, dass er das Thema wohl nicht zufällig gewählt hat: "Ganz nebenbei" ist die Auseinandersetzung mit "Regeln" auch ein pädagogisches Exempel.

Herrlich: Die Darsteller- und Autor/innen Sonja Auchter, Madita Baumann, Armin Benz, Elena Gajbach, Svenja Göttermann, Peter Kögler, Sarah Lutz, Paul Neuwirth, Ilja Spuling.

Unersetzlich: Der Regisseur und die Maskenbildnerin vom DEIN Theater Andreas Frey und Michaela Knepper.

Zuverlässig: Die Techniker/innen Kerstin Eyrich und Daniel Kühner.

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Warum ein Theaterstück von einer naturwissenschaftlichen Schule? "Wer nur die Chemie versteht, versteht auch die nicht recht" - denn er kann nicht über seinen Horizont hinaus blicken.

Christian Born

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Alles was Recht ist

Schülerinnen und Schüler begeistern Zuschauer mit ihrem neuesten Theaterprojekt

Endlich war es am Abend des 29. März soweit: Das Theaterstück "Alles was Recht ist" feierte Premiere.
Und was für eine! Neun Schülerinnen und Schüler des Instituts standen auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Dies waren nicht irgendwelche, sondern die des Theaterhauses Stuttgart. Der Saal 2 dieser Spielstätte, der ca. 500 Zuschauern Platz bietet, war bis auf den letzten Sitz besetzt.

Unter der professionellen Anleitung von Regisseur Andreas Frey und mit Unterstützung von Michaela Knepper, beide vom "Dein Theater", ist es bereits das dritte Stück in Folge, das im Rahmen einer Projektarbeit entstand und nun uraufgeführt wurde. Bis es soweit war, musste von allen Beteiligten harte Arbeit geleistet werden. Die Auswahl der Texte, das Verfassen des Manuskriptes sowie die Ausarbeitung der Regieanweisungen bildeten die Basis für die Schauspielerei. Nach einer intensiven Phase der Planung folgten unzählige Proben. Stimmen Aussprache, Mimik und Gestik? Klappt es mit den Kostümwechseln und dem Einsatz der richtigen Requisiten? Wie steht es um Licht und Ton?
Mögen während der langen Probephase auch einige (Selbst-)Zweifel entstanden sein- am Premiereabend klappte alles perfekt!

Rechte und Pflichten - innerhalb dieses Spannungsbogens wurden den Zuschauern Szenen unterschiedlichster Art präsentiert.
Der Mensch muss sich als soziales Wesen Regeln unterwerfen; nur so kann ein Zusammenleben überhaupt funktionieren. Sei es als kleine, überschaubare Gruppe, sei es als komplexes System: Rechte und Pflichten müssen klar definiert werden. Die klösterliche Gemeinschaft braucht ähnlich wie unsere moderne Gesellschaft "Leitplanken" in Form von gemeinsamen Werten, akzeptierten Verhaltensvorschriften und Gesetzen. Wird gegen diese Regularien verstoßen, reagiert man darauf mit unterschiedlichsten Mitteln - im Extremfall mit der Todesstrafe oder mit Gleichgültigkeit bzw. falsch verstandener Toleranz, die weitere Pflichtverstöße nach sich ziehen.

Als ein elementares Regelwerk stellten die Darsteller die Zehn Gebote vor. Theoretisch ist die Akzeptanz dieser Verhaltensvorschriften sehr hoch; dennoch verstoßen wir tagtäglich dagegen und entziehen uns somit unserer Pflichten, die uns als soziales Wesen auferlegt sind. Haben oder Sein? Wenn es um persönliche Glücksverheißungen geht, ziehen viele das Materielle vor. Reizüberflutung, Sozialneid und Konsumsucht verdrängen die eigentlich wichtigen Dinge im Leben. Um selbst Erfolg zu haben, "boxt" man seinen Nächsten weg. Massive Verstöße gegen das Sittengesetz, gegen als verbindlich erachtete ethische Vorstellungen sind nicht nur typisch für unsere Zeit. Dass es bereits in der Antike massive Regel- bzw. Pflichtverletzungen gab, zeigten die Schüler nachdrücklich am Beispiel der "Antigone". Kreon, der König von Theben , weigert sich, den im Kampf gefallenen Bruder von Antigone, Polineikes, ehrenhaft bestatten zu lassen, wie es eigentlich seine Herrscherpflicht wäre. Stattdessen möchte er den Leichnam den Vögeln zum Fraß vorwerfen. Seine Schwester Antigone widersetzt sich diesem Vorhaben und bezahlt ihren Widerstand mit dem Tod. Ihre Schwester Ismene hingegen beugt sich dem Herrscher und stellt dessen Handeln nicht in Frage. Was unterscheidet Antigone von Ismene? Kann der Mensch tatsächlich frei wählen, für welches Handeln er sich entscheidet?

Anregungen zum Nachdenken lieferten die Schauspieler, indem sie uns an einem Dialog über das "Höhlengleichnis" (nachzulesen beim griech. Philosophen Platon) teilhaben ließen. Angenommen, man säße als Kind angekettet in einem dunklen Verließ und nur punktuell zeige sich ein Lichtstrahl - wie verzerrt und ausschnitthaft sind die Wahrnehmungen, die überhaupt möglich sind. Entscheidend ist Perspektive: Sieht man die ganze Realität, d.h. ist man zu Erkenntnis fähig , muss man entsprechend reagieren. Viele sehen jedoch nur "Schatten" und können die Ausmaße ihres Handelns nicht überblicken, da sie die Wirklichkeit falsch deuten. Die SchülerInnen konfrontierten die Zuschauer mit dieser Problematik auf sehr eindringliche Art und Weise. Ist es meine Pflicht als Staatsbürger des Dritten Reiches, Abweichler an die Gestapo zu verraten ? Oder ist es meine Pflicht, einem Unrechtsregime die Stirn zu bieten, auch angesichts der drohenden Todesstrafe? Ist es Mutterpflicht, ein Kind in der Gewissheit aufzuziehen, dass dies letztendlich ihre Kräfte als allein verantwortliche Mutter übersteigt? Oder ist es nicht eher Pflicht, das Kind in eine Baby-Klappe zu legen mit der Hoffnung, dass dieses Kind von seinen Adoptiveltern von Herzen geliebt wird? Ist es meine Pflicht als Soldat Befehle auszuführen, die mir selbst als Unrecht erscheinen? Ist es meine Pflicht als Vorgesetzter , Strafaktionen anzuordnen, obwohl ich weiss, dass sie gegen geltendes Völkerrecht verstoßen? Ist es meine Pflicht als Richter, Urteile zu rechtfertigen, obwohl ich weiß, dass Justitia manchmal nicht nur auf einem Auge blind ist? Was kann/ was soll man als Einzelner unternehmen, wenn die Obrigkeit einem Pflichten auferlegt, die einem einzigen Zweck dienen: dem Missbrauch der eigenen Macht? Die SchauspielerInnen entführten die Zuschauer in das Zeitalter der Reformation und zeigten, welch großen Einfluss ein Mensch haben kann, wenn er sich wehrt, Regeln und Anweisungen zu befolgen, die offensichtlich anderen Menschen großen Schaden zufügen. Martin Luther bekämpfte mutig den Ablasshandel. Um den Bau des Petersdomes in Rom finanzieren zu können, gewährte die katholische Kirche nur dann die Befreiung von den Sünden und Errettung vor dem Fegefeuer, wenn die Gläubigen bereit waren, dafür zu bezahlen.

Nach diesem "Ausflug" in die Welt- bzw. Kirchengeschichte führte uns die Schauspielgruppe einen massiven Regelverstoß innerhalb einer Familie vor. Harold, ein exzentrischer junger Mann, von der neurotischen Mutter verwöhnt, hat es sich in den Kopf gesetzt, Maud zu heiraten. Alles wunderbar, gäbe es nicht einen kleinen Schönheitsfehler: Maud ist achtzig! Jahre alt. Natürlich setzt die Mutter alle Hebel in Form von Onkel, Psychiater und Geistlichkeit in Bewegung, um ihren Sohn von seinem Vorhaben abzubringen. Eines aber haben sie nicht bedacht- die Liebe kennt keine Grenzen. Flotte Musik, phantasievolle Kostüme und das tänzerische Talent der Darsteller zauberten einen Hauch von verrücktem Amerika auf die Bühne. Unterhaltung pur!

Die letzte Szene des Stückes stimmte wiederum nachdenklich. Ein junges Elternpaar steht mit seinem Neugeborenen auf der Bühne und denkt über die Zukunft dieses Kindes nach. Schritt für Schritt wird es seinen Weg ins Leben wagen, gesäumt von Rechten und Pflichten und eingebettet in die Gemeinschaft.

Mit diesem Bild ging ein beeindruckender Theaterabend zu Ende. Beeindruckend deshalb, weil es gelang, Nachdenkenswertes und Unterhaltung in einer gelungen Mischung zu präsentieren.

Das Institut Dr. Flad, seit vielen Jahren sowohl Unesco-Projektschule als auch "Schule ohne Rassismus", fühlt sich seit langem dem nachhaltigen Lehren und Lernen verpflichtet. Das Theaterstück ist ein gelungenes Beispiel: "Durch dieses Projekt konnten wir alle unseren Horizont erweitern und uns auch einmal mit einem Thema, welches außerhalb unseres eigentlichen Fachgebietes liegt, beschäftigen. Wir haben außerdem auch gelernt, wie wichtig es ist, im Team zu arbeiten", so die Äußerung eines Projektteilnehmers.

Das Fazit des Abend: begeisterte Zuschauer, strahlende Darsteller und Dank an alle, die dieses außergewöhnliche Projekt ermöglicht haben!

Angela Schmitt-Bucher

 

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