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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Die molekularen Prozesse der circadianen Uhr

Prof. Dr. Peter Ruoff, Universität Stavanger (Norwegen)

Freitag, 28. September 2007, 09.00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

Bilder zum Vortrag

 

Die molekularen Prozesse der circadianen Uhr

Am 28.09.2007 hielt Prof. Dr. Peter Ruoff im großen Hörsaal des Institutes Dr. Flad im Rahmen der 13. Stuttgarter Chemietage (26.-29.09.2007) einen Vortrag zum Thema "Die molekularen Prozesse der circadianen Uhr".

I. Zur Person:

Der ehemalige Fladianer (LG 20) holte nach seiner Ausbildung das Abitur nach und studierte anschließend Chemie in Oslo, Norwegen, wo er danach weitere vier Jahre als wissenschaftlicher Assistent tätig war. Seit 1984 ist Prof. Dr. Peter Ruoff an der Universität Stavanger, Norwegen, Professor für physikalische Chemie. Weitere Tätigkeitsfelder sind biophysikalische Chemie und Bioinformatik.

II. Historie

Bereits 400 v. Chr. beobachtete der Grieche Androsthenes bei Reisen nach Indien den "Schlaf" (Veränderung Blattstellung zwischen Tag und Nacht) bei Pflanzen (Tamarindus indica). Der Franzose De Mairan stellte im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts fest, dass diese Veränderungen nicht vom Licht beeinflusst werden. Der Schwede Carl von Linné erstellte ebenfalls im 18. Jahrhundert eine sog. Blumenuhr, mit der man anhand der geöffneten Blüten die Tageszeit bestimmen kann.

III. Bergriffserklärung und Merkmale

Der Begriff "circadian" setzt sich aus den lateinischen Wörtern "circa" (ungefähr) und "dies" (Tag) zusammen. Es handelt sich hierbei um freilaufende (d.h. lichtunabhängige) Rhythmen, die, wie der Name schon andeutet, eine Periodendauer von etwa 24 Stunden haben. Um diese sichtbar zu machen, ist es notwendig, dass Experimente im Dauerlicht oder Dauerdunkel, also unter konstanten Bedingungen, durchgeführt werden.

Die circadiane Uhr hat sich entwickelt, um Organismen an den natürlichen Tag-Nach-Rhythmus anzupassen. Sie ist für tagesperiodische Abläufe, wie z.B. Schlaf, Öffnung von Blüten oder Sporenbildung von Pilzen, von entscheidender Bedeutung. Sie hat ebenfalls Einfluss auf jahresperiodische Vorgänge wie Vogelzüge, Blütenbildung oder Winterschlaf. Alle höheren Lebewesen (Eukaryonten) verfügen über eine circadiane Uhr, wobei die Vorgänge bei Säugern wesentlich komplexer sind als bei anderen Lebewesen.

Die circadiane Uhr lässt sich durch periodische Hell-Dunkel-Signale synchronisieren. So passt sich zum Beispiel eine Pflanze, die von Europa nach Nordamerika transportiert wird, dem örtlichen Tagesrhythmus an. Durch einmaligen Einfluss von Temperatur, Licht oder bestimmten Stoffen kann der circadiane Rhythmus ebenfalls beeinflusst werden. Die Periodendauer wird durch einen noch nicht vollständig geklärten Kompensationsmechanismus gegenüber Umweltveränderungen, wie z.B. Temperaturschwankungen, weitestgehend konstant gehalten. Hierzu führte Prof. Dr. Peter Ruoff verschiedene Beispiele (u.a. Kakerlaken und Panzeralgen) an.

Der Blutdruck des Menschen ist ebenfalls der circadianen Uhr unterworfen. Er steigt in den frühen Morgenstunden an, bleibt den Nachmittag über weitestgehend konstant und sinkt während den Abendstunden wieder. Da Herzinfarkte am häufigsten während der Blutdruckänderung auftreten, versucht man die Medikation dem circadianen Rhythmus anzupassen.

IV. Die molekularen Prozesse bei der circadianen Uhr

a) Grundlegendes

Bei eukaryotischen Zellen findet die Vervielfältigung der DNA im Zellkern und die Proteinsynthese im Cytoplasma statt. Die Abschnitte der DNA, auf denen diese Informationen kodiert sind, nennt man Gene. Die DNA besteht aus zwei Zucker-Phosphat-Ketten, an denen eine Folge von vier Basen (Tymin, Adenin, Guanin, Cytosin) sitzen. Die beiden Stränge werden durch Wasserstoffbrücken zwischen jeweils zwei komplementären Basen zusammengehalten. Jeder DNA-Strang besitzt zwei unterschiedliche Enden, ein 5'- und ein 3'-Ende, wobei die DNA nur am 3'-Ende verlängert werden kann. Bei der Transkription wird die DNA von einem Protein, das am sog. Promoter ansetzt, abgelesen. Dabei bildet dieses Protein die Messenger-RNA (kurz: mRNA), welche ins Cytoplasma überführt wird. Es werden hierbei nur die Exons (kodierende Abschnitte) als mRNA kopiert. Die nicht kodierenden Elemente (Introns) werden bereits aus der pre-mRNA herausgetrennt. Diesen Vorgang nennt man Splicen. Im Cytoplasma findet anschließend die Translation statt, bei der die mRNA abgelesen und gleichzeitig das kodierte Protein gebildet wird (Proteinsynthese). Das zu bildende Protein besteht aus Aminosäuren, die über Peptidbindungen miteinander verknüpft sind.

b) Forschung am Modellorganismus

Das Team um Prof. Dr. Peter Ruoff verwendet den roten Brotschimmelpilz (Neurospora crassa) als Modellorganismus für ihre Forschungen. Dieser eukaryotische Schimmelpilz eignet sich hierfür besonders gut, da er schnell wächst, nicht pathogen und somit leicht zu handhaben ist. Außerdem lässt er sich leicht durch Punktmutation verändern und sein circadianer Rhythmus (sichtbar durch Sporenbildung) ist einfach zu beobachten. In der Natur findet man diesen Pilz hauptsächlich in tropischen und subtropischen Gegenden, oder nach Waldbränden auch in den gemäßigten Zonen. Sein Genom wurde 2003 entschlüsselt.

Die circadiane Uhr des Neurospora crassa sorgt dafür, dass die Sporen am frühen Morgen gebildet werden. So können DNA-Schäden, die UV-Licht und zu hohe Temperaturen verursachen würden, minimiert werden. Die Sporenbildung wird in sog. Race Tubes (mit Nährboden befüllte Glasröhren) beobachtet. Da dieser Pilz sehr gleichmäßig wächst, kann so leicht die Periodendauer bestimmt werden. Die Eigenschaften, die durch die circadiane Uhr hervorgerufen werden, sind genetisch festgelegt. Dies wurde mit Hilfe von DNA-Veränderungen durch UV-Strahlung bei Neurospora crassa experimentell bewiesen. Die dadurch entstanden Mutationen wurden den nachfolgenden Generationen vererbt. Beim roten Brotschimmelpilz ist das Frequency Clock Protein (kurz: FRQ) für die circadiane Uhr verantwortlich. Es reicht bereits eine Punktmutation (Substitution einer einzigen Aminosäure) aus, um gravierende Veränderungen hervorzurufen. Hier führte Prof. Dr. Peter Ruoff zwei Beispiele auf, bei denen die Periodendauer von 22 auf 16 Stunden herabgesetzt bzw. auf 30 Stunden erhöht wurde.

c) Ablauf

Der circadiane Rhythmus kommt folgendermaßen zustande: Nachdem das FRQ-Protein im Cytoplasma synthetisiert wurde, wird es in den Zellkern zurückgeführt, wo es seine eigene Transkription inhibiert. Dieser Vorgang wird als negative Rückkopplung bezeichnet. Die vorhandenen Mengen an FRQ-Protein und frq-mRNA, aus der das Protein gebildet wird unterliegt periodischen Schwankungen (Oszillation). Dabei erreicht die Menge an frq-mRNA ein Minimum, wenn die Menge an FRQ-Protein am höchsten ist.

Dem Team um Prof. Dr. Peter Ruoff helfen mathematische Modellberechnungen Vorhersagen zu machen, die später experimentell überprüft werden können. So gelang es ihnen beispielsweise zu zeigen, dass die Stabilität des FRQ-Proteins wichtig für die Periodendauer und Temperaturkompensation ist. Je höher die Abbaurate des Proteins ist, desto kürzer ist die circadiane Periode. Ein langsamer Abbau hingegen bewirkt eine längere Periodendauer. Jedoch können Temperaturschwankungen hier nicht mehr so gut ausgeglichen werden.

V. Ausblick

Zum Ende seines Vortrages gab Prof. Dr. Peter Ruoff einen Ausblick auf noch offene Fragen und zu lösende Aufgaben. So ist zum Beispiel noch ungeklärt, wie das FRQ-Protein seine eigene Transkription hemmt, oder wie bestimmte Prozesse an den FRQ-Oszillator gekoppelt sind. Außerdem gilt es herauszufinden, ob es mehrere miteinander gekoppelte Transkriptions- Translations-Oszillatoren gibt. Ferner ist geplant die Forschungen auf andere Modellorganismen, wie Bananenfliegen, Mäuse oder Schaumkresse auszuweiten.

Charlotte Rödde, Markus Bauer, LG 57

 

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