Wer nicht liest, hat mit sich abgeschlossen
Lesung der Schriftstellerin Mirjam Pressler
am Institut Dr. Flad, 9. April 2008
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"Jude ist Jude" Bereits zwei Tage nach der begeistert gefeierten Premiere des Theaterstückes "Ruf der Verantwortung" stand ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm des Instituts. Mirjam Pressler, eine der bekanntesten und profiliertesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen, las aus einem ihrer zahlreichen Werke. Sie verfasste mehr als 30 Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Zudem übersetzte sie etwa 400! Werke aus dem Niederländischen, Flämischen, Hebräischen, Africaans und dem Englischen. Die Liste ihrer Auszeichnungen ist lang; u.a. erhielt sie den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Deutschen Bücherpreis sowie den Bayrischen Verdienstorden. Bevor Mirjam Pressler Schriftstellerin wurde, hat sie Kunst studiert, brotlose Kunst. Als Alleinerziehende mit drei Töchtern war sie darauf angewiesen, den Lebensunterhalt zu verdienen, sei es als Taxifahrerin oder Jeansladeninhaberin. Dass sie sich für die Schriftstellerei entschied, hatte letztendlich auch materielle Gründe, hoffte sie doch, mit ihrer Leidenschaft genügend Geld zu verdienen. Bereits in früher Kindheit hat sie Bücher regelrecht "verschlungen" und sagt selbst über sich: "Ich kann nicht ohne Sprache sein." Wenn sie nicht eigene Werke verfasst, arbeitet sie als Übersetzerin. Wenn sie nicht übersetzt, entstehen eigene Bücher. Das soziale Umfeld prägt die Heranwachsenden, im Positiven wie im Negativen; davon ist Mirjam Pressler auch aufgrund eigener Erfahrungen zutiefst überzeugt. Sie selbst ist jüdischer Herkunft, wurde unehelich geboren, von Pflegeeltern erzogen, hat Erfahrungen in einem Kinderheim gemacht. Sie weiß genau, wovon sie schreibt und spricht, ihre Bücher "wirken" nicht nur unsentimental und ehrlich, sie sind es! Die Protagonisten ihrer Kinder- und Jugendbücher sind oft Außenseiter, stammen aus kaputten Familien, werden zu Opfern, sind Ausgelieferte. Leicht könnte man bei der Lektüre in Resignation verfallen nach dem Motto: "Die Umstände sind nun mal so". Weit gefehlt - gerade diese Figuren entwickeln Überlebensstrategien, die Mut machen. Das "Vorbild" für die Malka aus dem Roman, die "echte" Malka Mai, wohnt heute in Israel und sie hat für die Dokumentensammlung der Gedächtnisstätte Yad Vashem ihre Familiengeschichte aufgeschrieben, dabei aber das Wesentliche, ihre Erlebnisse auf der Flucht, nur mit wenigen Worten angedeutet. Auf ihre Bitte hin "erfand" Mirjam Pressler ihre Erlebnisse neu. "Wie hat den die 'reale' Malka auf den Roman reagiert?", wollten die Schüler, in der sich der Lesung anschließenden Fragerunde wissen. Obwohl das Buch inzwischen sowohl in einer englischen als auch hebräischen Übersetzung vorliegt, hat sie den Roman bis heute nicht gelesen. Verdrängung? Angesichts des Grauens, dass dieses siebenjährige Kind mutterseelenallein erlebt hat, ist das nachvollziehbar. "Ich gebe mich nicht der Illusion hin, Bücher könnten die Welt verändern, aber für einzelne Menschen kann ein bestimmtes Buch eine wichtige, weltbewegende Bedeutung erlangen", so die Autorin. Malka Mai hat das Zeug dazu, ein solches Buch zu sein. Mirjam Pressler: "Malka Mai", Verlag Beltz & Gelberg Angela Schmitt-Bucher |