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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

"Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“
Fächerübergreifender Unterricht am Institut Dr. Flad

Uranmunition

"Ich habe ein Buch geschrieben über die Mechanik des Universums, das ist alles. Was daraus gemacht wird, geht mich nichts an.“ Der Standpunkt von Galileo Galilei in Bertolt Brechts Drama "Das Leben des Galilei“ könnte eindeutiger nicht sein.

Ist der Wissenschaftler verantwortlich dafür, welche Folgen seine Forschung hat? Oder müssen Politiker zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Wissen politisch missbraucht wird?
Im Rahmen eines fächerübergreifenden Unterrichts wurden diese und weitere Fragen am Beispiel des Einsatzes von Uranmunition vertieft. Konkret gesprochen:

Wer übernimmt die Verantwortung für den Einsatz radioaktiver Waffen?
Weshalb ist diese Art der Munition weltweit so gefragt?
Werden Schädigungen der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen?
Sind die verantwortlichen Politiker willens, sich an das Völkerrecht zu halten?
Welche Anstrengungen werden unternommen, um eine internationale Ächtung dieser Waffen zu erreichen?
Dass es bei dieser Problematik keineswegs um graue Theorie geht, verdeutlichte der zu Beginn des Unterrichts gezeigte Dokumentarfilm "Der Arzt und die Kinder von Basra“ von Frieder Wagner, der auf erschreckende Weise die Auswirkungen von abgeschossener Uranmunition zeigt.

Die naturwissenschaftlichen Aspekte der Thematik waren im Vorfeld der Filmvorführung im Unterricht von Dr. Jürgen Flad behandelt worden.
Die Schüler des Lehrgangs 57 erfuhren, dass Uranmunition eine panzerbrechende Munition ist; die Projektile enthalten abgereichertes Uran, daher auch die Bezeichnung DU (depleted uranium). Dieses Uran ist ein Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Kernbrennstoff in Atomkraftwerken anfällt. Da das Material schwach radioaktiv ist, muss es aufwändig und kostenintensiv gelagert werden. Schätzungen zufolge liegen allein in den USA über ca. 700.000 Tonnen "auf Halde.“
Ferner verfügen Russland, Großbritannien, Frankreich, Japan, Israel sowie zahlreiche andere Staaten über DU.

Angesichts dieser Tatsachen spielen auch wirtschaftliche Interessen bei der Nutzung dieser Munition eine Rolle. Diesen Hintergrund beleuchtete die Wirtschafts- und Sozialkundelehrerin Frau Angela Schmitt-Bucher näher.
Aus der Sicht der Militärs ist das nukleare Abfallprodukt für viele Armeen geradezu ein Glücksfall. Zum einen ist es im Vergleich zu anderen Waffen eine geradezu "spottbillige“ Munition. Ein radioaktives Geschoss kostet ca. 2 000 Euro. Zum anderen hat Uran aufgrund seiner hohen Dichte und Härte eine ungeheure Durchschlagskraft und zerstört mit vergleichsweise geringem Aufwand feindliche Panzer. Das Geschoss durchdringt diese "wie Butter.“ Die Bewegungsenergie der abgeschossenen Munition wird in Wärmeenergie umgewandelt, das Uran verdampft und oxidiert, die große Hitzeentwicklung entzündet den Treibstoff und die Munition der Fahrzeuge und diese sind somit außer Gefecht gesetzt. Der beim Einschlag entstehende Feinstaub aus radiaktivem Uranoxid gelangt schließlich in Form eines Aerosols in die Umgebungsluft.

Nachweislich kommt Uranmunition seit 1991 in großem Stil zum Einsatz: Irak 1991, Irak 2003, Bosnien 1995, Jugoslawien/Kosovo 1999, Afghanistan 2001 ...
Als NATO-Mitgliedsstaat sah sich die Bundesregierung 1999 gezwungen, den Kosovo-Einsatz der Verbündeten zu unterstützen. Schätzungen zufolge wurden dabei ca. 31.000 Urangeschosse eingesetzt.
Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping antwortete auf die Frage, ob diese Munition für deutsche Soldaten nicht gesundheitsgefährdend sei:“ Alles, was an Informationen zur Verfügung steht, sagt: Ein Strahlenrisiko gibt es nicht.“

Der Dokumentarfilm " Der Arzt und die Kinder von Basra“ widerlegt diese Beurteilung.

Der Filmemacher Frieder Wagner bereiste zusammen mit dem Medizinprofessor Dr. Siegwart-Horst Günther den Irak; die schlimmsten Befürchtungen, die der Mediziner seit 1991 hegt, bestätigten sich. Auffallend oft gleichen sich die Krankheitsbilder von irakischen Patienten. Der Zusammenbruch des Immunsystems, Funktionsstörungen von Leber und Nieren, Leukämie oder andere Krebserkrankungen sowie genetisch bedingte Missbildungen treten seit 1991 im Irak gehäuft auf. Wie sooft in Kriegen leidet die Zivilbevölkerung am stärksten unter den Folgen. Die Kinderkrankenhäuser sind voll mit Todgeweihten.

Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Erkrankungen etwas mit der im Golfkrieg eingesetzten Uranmunition zu tun haben. Vorliegende Studien und Gutachten widersprechen sich, wobei die Auftraggeber durchaus unterschiedliche Interessen haben.

Die Weltgesundheitsorganisation wäre als neutrale Instanz am ehesten geeignet, unabhängige Langzeitforschungen durchzuführen und diese zu publizieren. Weit gefehlt: Die WHO hat bereits 1959 mit der Internationalen Atomenergiekommission (IAEO) ein Abkommen beschlossen, das der WHO Studien im Zusammenhang mit Strahlung und Krankheiten nur dann erlaubt, wenn die IAEO vorab ihre Zustimmung erteilt.

Der Einsatz von DU scheint ein äußerst heikles Thema zu sein. Offensichtlich werden einer breiten Öffentlichkeit Fakten über nukleare Munition vorenthalten. Anders kann man sich den Umgang mit dem Journalisten und Dokumentarfilmer Frieder Wagner nicht erklären. Sein im fächerübergreifenden Unterricht gezeigter Dokumentarfilm wurde im April 2004 im WDR-Fernsehen ausgestrahlt; auch im Hörfunk dieses öffentlich-rechtlichen Senders wurde ein Beitrag über Uranmunition gesendet - ganz anders dagegen die Vorgehensweise des Deutschlandfunks. Der für die Thematik zuständige Redakteur, nebenberuflich auch für die Bundeswehr tätig, verhinderte laut Aussage des Autors eine Ausstrahlung.

Das Grundgesetz garantiert die Presse- und Meinungsfreiheit. Brisante Themen dürfen bzw. müssen durchaus kontrovers diskutiert werden, das gehört zu den Grundpfeilern einer Demokratie. Unbequeme Recherchen zu unterdrücken ist der falsche Weg, zumal die Glaubwürdigkeit von Politikern auf dem Spiel steht. Das Presserecht und die Versammlungsfreiheit bieten der "Gegenseite“ genügend Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen, sei es in Form von Gegendarstellungen, Podiumsdiskussionen, Hearings etc.

Unbestritten: Die Bundeswehr selbst setzt keine Uranmunition ein. Als NATO-Mitgliedsstaat nimmt sie allerdings billigend in Kauf, dass Verbündete nukleare Munition einsetzten, die in Form von eines Metalloxid-Rauchs, der sich wie ein Gas verhält, in die Umgebungsluft gelangt.
Dies ist eindeutig ein Verstoß gegen die Genfer Konvention von 1949.
Der schockierende Film lässt nur einen Schluss zu: Der Einsatz von DU muss ausdrücklich verboten werden.
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, wenden sich die Schüler des Lehrgangs 57 mit einem Brief an die verteidigungspolitischen Sprecher der fünf im Bundestag vertretenen Parteien.

Angela Schmitt-Bucher