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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Dr. Asfa-Wossen Asserate zu Gast im Institut

"Interkulturelle Bewusstseinsbildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Integration"

Vortrag am 16. Februar 2011 im Institut Dr. Flad

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Die Vielgestaltigkeit der Lebensweisen macht den Reichtum der Welt aus
Dr. Asfa-Wossen Asserate spricht im Institut Dr. Flad über die Notwendigkeit von Kooperation und Integration

Das Institut Dr. Flad gehört seit 1988 zum weltweiten Netz der UNESCO-Projektschulen. Dieses Netz von Bildungseinrichtungen orientiert sich an der Idee der internationalen Erziehung und des interkulturellen Lernens. Ziel ist eine umfassende Bildung und die Erziehung zu Weltoffenheit und Toleranz. Diesen Zielen fühlt sich das Institut Dr. Flad als Schule ohne Rassismus verbunden. Seit Jahren finden deshalb Veranstaltungen und Projekte zu diesem Themenkreis statt.

Ein besonderes Glanzlicht in der Reihe dieser Veranstaltungen war der Vortrag von Dr. Asfa-Wossen Asserate am 16. Februar im Großen Hörsaal des Instituts. Er sprach über das Thema "Interkulturelle Bewusstseinsbildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Integration".

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Dr. Asfa-Wossen Asserate mit Schulleiter Wolfgang Flad

Dr. Asfa-Wossen Asserate - Jahrgang 1948 - wuchs in Addis Abeba auf. Dort wurde er, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassi, von einem österreichischen Kindermädchen versorgt und von deutschen Lehrkräften erzogen. Deshalb entschloss er sich, zum Studium nach Deutschland zu gehen. Er studierte in Tübingen und Frankfurt. Nach Äthiopien konnte er nach dem Studium nicht mehr zurückkehren, weil es dort 1974 zu einer kommunistischen Revolution kam. Haile Selassi wurde durch einen Militärputsch entmachtet. So wurde Dr. Asserate zum Exilanten. Sein Vater wurde hingerichtet, seine Familie kam ins Gefängnis, der Besitz wurde beschlagnahmt. Mehr als 15 Jahre sollte es dauern, bis er wieder nach Äthiopien reisen konnte. Heute lebt er in Frankfurt. Als Schriftsteller wurde er u. a. bekannt mit seinen Büchern "Manieren" und "Draußen nur Kännchen", in denen die deutsche Kultur auf amüsante Weise aus der Außenperspektive dargestellt wird.

Schulleiter Wolfgang Flad wies in seiner Begrüßung auf die besondere Beziehung des Instituts zu Äthiopien hin. Es ist in diesem Jahr genau 25 Jahre her, dass der Schauspieler Karl-Heinz Böhm sein Hilfsprojekt für Äthiopien "Menschen für Menschen" im Institut vorstellte.

Dr. Asserate erwähnte am Anfang seines Vortrags eine weitere Verbindung zwischen der Familie Flad und Äthiopien. Johannes Martin Flad, ein Vorfahr von Wolfgang Flad, war um 1850 als Missionar nach Äthiopien gegangen und hatte dort die erste evangelische Missionsstation aufgebaut.

Die Begegnung mit anderen Kulturen, so Asserate zu Beginn seines Vortrags, stellt eine Bereicherung dar, ist aber auch immer mit Ängsten verbunden. Der Selbstwert vieler Menschen bestimmt sich aus der Verbindung mit der eigenen Kultur - die immanente Spannung zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen müsse überwunden werden. Ziel ist die gesellschaftliche Integration, d.h. die Einbeziehung von Menschen, die vorher ausgeschlossen war. Integration hat nichts mit Assimilation zu tun, denn Integration verlangt keine Aufgabe der eigenen kulturellen Identität. Integration ist die Aufgabe beider Seiten - der aufnehmenden Gesellschaft, von der Offenheit erwartet werden muss. Vorurteile und Fremdenhass müssen abgebaut werden. Auch Arbeitsplätze und Wohnungen müssen zur Verfügung gestellt werden. Von den Einwanderern wird vor allem verlangt, dass sie Gesetze und Regeln der aufnehmenden Gesellschaft akzeptieren und die Sprache lernen. Integration gipfelt in der Übernahme einer gemeinschaftlichen Verantwortung von Gastgebern und Gästen für das Gemeinwesen. Asserate nannte als Beispiel für einen gelungenen Integrationsprozess die Aufnahme der Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg in der Bundesrepublik oder die gelungene Integration der deutschen Auswanderer in den USA im 19. Jahrhundert.

In einem weiteren zentralen Aspekt seines Vortrags führte Asserate aus, dass alle Zivilisationen und Kulturen Mischformen sind. Sie entwickelten sich durch Austausch und Synthese, durch die Begegnung verschiedener Völker, Religionen und Philosophien. Reine, in sich geschlossene Einheiten, die sich aus sich selbst heraus entwickelten, gab es nie.

größer Mit einer netten Anekdote demonstrierte Asserate die Veränderungen durch die Einflüsse anderer Kulturen. So sei das Essen mit der Gabel ein kultureller Import aus Konstantinopel. Damals sei in der christlichen Welt gegen das Essen mit Besteck statt mit den Händen polemisiert worden, schließlich hätte Gott dem Menschen zum Essen die Hand geschaffen. Es sei der übliche Gang der Dinge, kulturelle Importe werden zunächst mit Misstrauen beobachtet, dann vorsichtig akzeptiert, schließlich angenommen.

Er wandte sich gegen die im letzten Jahrzehnt populär gewordene These des Amerikaners Huntingdon, der die gegenwärtige politische Situation, vor allem nach den Anschlägen auf das World Trade Center, mit dem Begriff "clash of cultures" beschrieben hatte. Das Gegenteil sei richtig, so Asserate. Vielmehr sei alles mit allem verbunden, wie es etwa auch der Physiker Capra als Weltbild der modernen Physik beschrieben habe.

Kulturelle Vielfalt sei notwendig für eine Verantwortungsgemeinschaft eines Weltbürgertums. Kooperation statt Konkurrenz sei gefragt. Wahres Menschsein, formulierte Asserate in Anlehnung an Aristoteles, sei nur in der Gemeinschaft möglich. Konflikte hätten zumeist keine kulturellen, sondern wirtschaftliche Wurzeln. Als historisches Beispiel für gelungene Integration und ein multikulturelles Zusammenleben sah Asserate das antike römische Reich, das eine Rechtsgemeinschaft, keine Abstammungsgemeinschaft gewesen sei. Dort habe es eine Offenheit für eigene und fremde Kulturen gegeben. Die Kultur der Antike sei ein Musterbeispiel für die Einheit in der Vielfalt.

Die multikulturelle Gesellschaft bei uns ist Realität. Es geht um die Anerkennung aller, die hier leben, als potentielle Staatsbürger. Es geht nicht um Herkunft, sondern um die allen gemeinsame Menschenwürde. So ist es nicht mehr die Frage, ob wir in einer Gesellschaft zusammen leben, sondern wie wir dieses Leben gestalten.

S. Kümmerle

 

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"Wenn wir bereit sind zu erkennen, wie sehr wir alle durch vergessene Fäden miteinander verknüpft sind, sollte es uns nicht schwerfallen, mit Menschen anderer Herkunft gleichberechtigt, tolerant und friedlich zusammenzuleben."

Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. An der Deutschen Schule bestand er als einer der ersten Äthiopier das Abitur. Er studierte Geschichte und Jura in Tübingen und Cambridge und promovierte in Frankfurt am Main. Die Revolution in Äthiopien verhinderte die Rückkehr in seine Heimat. Er blieb in Deutschland und ist heute als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten und als politischer Analyst tätig. Sein Buch "Manieren" wurde von der Kritik gefeiert. Im Scherz Verlag erschien zuletzt sein Buch "Ein Prinz aus dem Hause David".

» weitere Informationen über Dr. Asfa-Wossen Asserate bei Wikipedia