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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Prof. Dr. Stefan Mecking

AG Chemische Materialwissenschaft, Universität Konstanz

Natur oder Petrochemie? - Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Mittwoch, 02.03.2011, 11:00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

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Natur oder Petrochemie?
Professor Dr. Stefan Mecking, Konstanz, sprach über Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen.

"Eine verrückte chemische Reaktion", so beschrieb Professor Mecking in seinem Gastvortrag im Rahmen der 15. Stuttgarter Chemietage die in seiner Forschungsgruppe entwickelte Methode, allein aus Fettsäuren Polyester herzustellen, die ähnlich kristallisierbar sind wie ihr petrochemisch hergestellter Konkurrent und ein vergleichbares Schmelzverhalten für thermoplastische Verarbeitungszwecke aufweisen.

Professor Mecking ist Inhaber des Lehrstuhls für chemische Materialwissenschaft an der Universität Konstanz. Er studierte Chemie in Aachen, arbeitete in den USA und bei der Hoechst AG und lehrte nach der Habilitation als Privatdozent an der Universität Freiburg. Im Jahr 2004 folgte er einem Ruf an die Universität Konstanz.

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Mecking wies zu Beginn seines Vortrags auf den bekannten Grund für das zunehmende Interesse an der Nutzung nachwachsender Rohstoffe hin. Die Nutzung fossiler Brennstoffe ist wegen der begrenzten Reserven keine Option für die Zukunft. Ein weiteres Problem, das der weiteren Nutzung fossiler Energien entgegensteht, ist die gewünschte Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid. Auch die Volatilität und das langfristige Steigen des Ölpreises, die sich auch gegenwärtig angesichts der Krise in Nordafrika zeigt, zwingen zum Umdenken.

Im Gegensatz zu den zur Neige gehenden Vorräten an fossilen Energien gibt es bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe riesige Reserven. So deckt heute etwa die chemische Industrie nur 11% ihres Bedarfs durch nachwachsende Rohstoffe, der Ölanteil liegt bei 76%. Die Nutzung der Kohle deckt nur 2%, die von Erdgas 11% des Bedarfs. Für die Produktion von Kunststoffen verbraucht die chemische Industrie nur 10% ihres gesamten Energiebedarfs, der Großteil dient der Energiegewinnung und wird verbrannt.

Ein weiterer Aspekt, der für die Nutzung nachwachsender Rohstoffe spricht, ist die Frage der biologischen Abbaubarkeit. Die DIN-Norm für die biologische Abbaubarkeit verlangt einen Abbau von organischem Kohlenstoff von 60%. Natürlich vorkommende Polymere wie Cellulose oder Naturkautschuk sind komplett biologisch abbaubar.

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Allerdings ist die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen auch nicht frei von Problemen. Cellulose ist beispielsweise ein nachwachsender Rohstoff mit herausragender Bedeutung. Allerdings verlangt Zellstoffgewinnung aus Holz und damit die Papierherstellung aus Cellulose relativ aufwendige Verfahren, weil z.B. das Lignin aus der Cellulose extrahiert werden muss. Der Energieverbrauch ist dabei sehr hoch. Vergleichsweise einfach ist dagegen die petrochemische Herstellung von Polyethylen, das aus einer Mischung von Polyester und Stärke hergestellt wird.

So kommt es, dass die Herstellung einer Einkaufstüte aus Polyethylen weniger Energie verbraucht als die Papiertragetasche. Die Kompostierbarkeit ist bei beiden gleich hoch, d.h. also, dass die petrochemisch hergestellte Kunststofftüte letztlich umweltschonender ist.

Die Herstellung von Polyester aus nachwachsenden Rohstoffen erfolgt über Monomere. Mecking zeigte das am Beispiel der Polymilchsäure (PLA), die z.B. in der Medizin für kontrollierte Wirkstofffreisetzung Verwendung findet. Petrochemisch hergestellte Polyester unterscheiden sich im Produkt nicht von Polyester aus nachwachsenden Rohstoffen. Beide werden zum Beispiel für Verpackungen und Beschichtungen verwendet. Beide sind biologisch abbaubar. Ein Problem bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist allerdings gegenwärtig noch der Preis. So kostet etwa ein Kilogramm Material für die PET-Flasche einen Euro, die Kosten von Polymilchsäure liegen dagegen bei rund 2,40 Euro pro Kilo. Gegenwärtig ebenfalls noch sehr günstig ist petrochemisch hergestelltes LDPE (Low Density Polyethylen) mit Kosten von einem Euro pro Kilo.

Auch in der Gesamtenergiebilanz schneiden bisher petrochemische Erzeugnisse besser ab. Schließlich müssen bei nachwachsenden Rohstoffen z.B. auch die Kosten für die Düngung der Felder eingerechnet werden.

größer Mecking berichtete am Schluss seines Vortrags über die Arbeit seiner Forschungsgruppe "Chemische Materialwissenschaft" an der Universität Konstanz. Dort wurde ein neuer Kunststoff aus Rapsöl entwickelt, der verlustfrei hergestellt werden konnte. Die verlustfreie Herstellung ist deshalb so bedeutsam, weil Öle und Fette genauso teuer wie Erdöl sind und deshalb sparsam verwendet werden sollen. Einer Mitarbeiterin der Forschungsgruppe von Professor Mecking gelang es, die Molekülstruktur des pflanzlichen Öls im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden vollständig für den entstehenden Kunststoff nutzbar zu machen.

Kunststoffe sind sehr große Moleküle, die durch Verknüpfung kleiner Bausteine entstehen. Diese Bausteine müssen reaktionsfreudige Gruppen aufweisen. In den pflanzlichen Fettsäuren befindet sich die reaktionsfreudige Doppelbindung in der Mitte des Moleküls. Das ist für die Herstellung von Kunststoffen nur bedingt brauchbar. Es gelang nun, die Doppelbindung mit Hilfe eines Katalysators an das Ende des Moleküls unter Umsetzung zu einer Estergruppe zu verlegen. "Eine sehr ungewöhnliche Reaktion", so Professor Mecking. Die Verknüpfung der Bausteine kann nun von Molekülende zu Molekülende geschehen, woraus sich eine lineare, regelmäßige Struktur ergibt, die den Kunststoff mit günstigen Eigenschaften ausstattet. Die Verknüpfung am Mittelbaustein hätte dagegen zu einer unregelmäßigen Struktur geführt. Ressourcenschonend ist die neue Methode, weil ein kompletter Strang in den entstehenden Kunststoff umgesetzt werden kann. Bisherige Methoden nutzten nur eine Molekülhälfte bis zur Doppelbindung.

Die anschließende Fragerunde beschäftigte sich u.a. mit dem Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen der Nutzung nachwachsender Rohstoffe und petrochemischen Verfahren. Die Frage, was wirtschaftlicher sei – so Mecking – sei nicht einfach zu beantworten. Ölpreisanstieg und gesetzliche Regulierung führten aber voraussichtlich zu einem Kostenvorteil der nachwachsenden Rohstoffe.

Bei der Frage nach dem Vorteil des neuen E10-Treibstoffs zeigte sich Mecking skeptisch. Moderne Motoren funktionierten schlechter, wenn dem Treibstoff Ethanol beigemischt wird. Deshalb sei das keine Lösung für das Treibstoffproblem.

Auch auf die Frage nach der Zukunft der Automobilität gibt es – so Mecking – keine einfache Antwort. Er sieht in der Nutzung der Kohle zur Herstellung von Benzin ein Möglichkeit, die aber wegen der Umweltbelastung hoch problematisch sei. Deshalb liege die voraussichtliche Lösung in einem Energiemix. Zu fragen sei auch, ob zukünftige Automobile die gleiche Leistungsfähigkeit haben müssten, wie heute die benzingetriebenen Fahrzeuge.

S. Kümmerle

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