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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

"Von der Energiewende zur Ressourcenwende"

Prof. Dr. Stefan Bringezu

Leitung der Forschungsgruppe "Stoffströme und Ressourcenmanagement" am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
Gastvortrag am 16. Januar 2015 um 14:30 Uhr im Institut Dr. Flad

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Vortrag von Prof. Dr. Stefan Bringezu:
"Von der Energiewende zur Ressourcenwende"

Gleich zu Beginn des neuen Jahres hatten die Schüler die Gelegenheit, sich über Hintergründe und Auswirkungen der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende zu informieren. Schulleiter Wolfgang Flad hatte als Referent Prof. Dr. Stefan Bringezu eingeladen, der als Leiter der Forschungsgruppe Stoffströme und Ressourcenmanagement am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet Nachhaltigkeit ist.

Kernkraft ist "out", erneuerbare Energien sind "in", so sein Statement zu Beginn seiner Ausführungen. Doch diese Wende hat einen Preis, wie sich mittels des ökologischen Rucksacks zeigt. Dieser Rucksack ist eine Metapher für die Ökobilanz eines bereitgestellten Produktes oder einer Dienstleistung: Welche ökologischen Auswirkungen bringt die Herstellung, der Gebrauch/Verbrauch eines Gutes sowie dessen Entsorgung mit sich?

Auf den ersten Blick überwiegen die Vorteile, die die Energiewende mit sich bringt, doch bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass der Einsatz erneuerbarer Energien wohl überlegt sein muss. Ressourcenmanagement ist dringend nötig, um mehr Wohlstand trotz geringerem Ressourcenverbrauch zu gewährleisten.

Momentan stellt sich die Situation folgendermaßen dar:

  • Für die Fertigung vieler Produkte ist ein enormer Materialaufwand nötig. Nur ein Bruchteil dessen, was der Natur entnommen wird, steckt dann tatsächlich im Endprodukt. Ein großer Anteil ist quasi "Abfall". Prof. Bringezu führte als Beispiel die Tatsache an, dass für den Abbau einer Tonne Gold im peruanischen Regenwald ca. 20 Millionen Tonnen Material bewegt werden müssen - mit entsprechenden Konsequenzen für die Landschaft.

  • Aufgrund der weltwirtschaftlichen Entwicklung wird eine Verdoppelung des Rohstoffabbaues bis 2030 prognostiziert, d. h. der Landschaftsverbrauch und die Zunahme von Abfall werden rasant fortschreiten. Zudem verschärfen veränderte Ernährungsgewohnheiten, u.a. gesteigerte Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten in den bevölkerungsreichen asiatischen Ländern, die Situation. Weltweit steigt der "Hunger" nach landwirtschaftlichen Anbauflächen, Biodiversität droht verloren zu gehen.

  • Die negativen Auswirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) müssen hinterfragt werden, so Prof. Bringezu. Fakt ist: Auch regenerierbare Energielieferanten wie Sonne, Wind, Wasser ... benötigen für ihren sinnvollen Einsatz Primärstoffe, d.h. auch hier gibt es einen ökologischen Rucksack. Zudem wird seiner Überzeugung nach durch die Nachhaltigkeitsstrategien der Bundesregierung der Hauptanteil dieses "Gepäckes" anderen Ländern aufgebürdet, während man sich nach innen abschottet und somit die negativen Folgen der Energiewende exportiert.

Die Erfolge der deutschen Wirtschaft haben ihren Preis. Der weltweite Materialaufwand ist enorm: Rund sechs Milliarden Tonnen werden jährlich benötigt, das entspricht einem Bedarf von rund 70 Tonnen pro Einwohner, wobei der Löwenanteil auf die Bereiche Ernährung, Wohnen und Mobilität entfällt. Im Ranking der ressourcenintensivsten Industriezweige belegt die Chemie Platz sechs.

Dem Anbau nachwachsender Rohstoffe kommt laut EEG zentrale Bedeutung zu. Ein Großteil davon machen Pflanzen zur Gewinnung von Biogas und Biodiesel aus. Prof. Bringezu sieht diese Tendenz kritisch; die Bundesrepublik kann ihren Bedarf nur zur Hälfte decken, der Rest muss anderweitig bezogen werden. Damit ist ein Paradox verbunden: Weltweit steigt die Nachfrage nach Ackerland einerseits, andererseits geht in großem Stil wertvolle landwirtschaftliche Fläche verloren, wenn anstelle von Nahrungsmittel Biokraftstoffe angebaut werden, um den Wohlstand der Deutschen zu sichern.

Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien kontinuierlich steigt.

Doch es ist unabdingbar, deren Einsatz zu steuern, d.h. Ressourcenmanagement mit dem Ziel zu betreiben, den Einsatz von Rohstoffen zu vermindern. Ressourceneffizienz, recyclingorientierte Industrie, Bionikökonomie ... sind Zukunftsgaranten. Am Beispiel der Automobilproduktion stellte der Referent eine Vielzahl von Anregungen vor. Einsparpotenziale gibt es sowohl bei der industriellen Produktion (Materialeinsparung, Substitution von eingesetzten Stoffen, Reduktion auf wenige Materialien, kurze Transportwege ...) als auch durch verändertes Konsumverhalten eines jeden Einzelnen. Mieten statt kaufen, Umstellung der Ernährungsgewohnheiten sowie Abfallvermeidung sind laut Prof. Bringezu nötige Strategien, damit aus der Energiewende eine nachhaltige Ressourcenwende resultiert. Zurecht stellte zum Schluss der Veranstaltung Schulleiter Wolfgang Flad fest: "Was immer du tust, handele klug und bedenke das Ende."


Angela Schmitt-Bucher

 

Prof. Dr. Stefan BringezuDer weltweite Ressourcenverbrauch steigt, Deutschland und Europa beziehen immer mehr Rohstoffe aus anderen Regionen. Der Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe z.B. über Biokraftstoffe führt zu massiven Problemverlagerungen.

Der Vortrag gab einen Überblick über die anstehenden globalen Probleme, erläuterte die wichtigsten Strategien für eine nachhaltigere Entwicklung und stellte konkrete Beispiele vor, wie eine ressourceneffiziente Wirtschaft auf stofflich-energetisch erneuerbarer Basis gestaltet werden kann.