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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Welt der Öle

Vortrag von Walter Bitzer, oleofactum®
am 6. Juni 2016 im Institut Dr. Flad

Am Montag den 6.6.2016 hielt der Speiseölexperte Walter Bitzer am Institut Dr. Flad einen Vortrag. In diesem Vortrag informierte der Gründer und Inhaber von oleofactum® über die Gewinnung und Verarbeitung von Ölen. Er gliederte den Vortrag in drei Teile, wobei er im ersten Teil auf die lange Tradition der Ölgewinnung einging.

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Schon ca. 40.000 Jahre hat die Menschheit aus Samen Öl gewonnen. Weiterhin ging er darauf ein, warum das Öl für das Leben wichtig ist. Ohne die in den Pflanzen enthaltenen Öle würden sie austrocknen, erfrieren und hätten nicht die Kraft um Wurzeln auszutreiben. Auch menschliche Lebensvorgänge sind stark von ungesättigten Fettsäuren abhängig, z.B. besteht die Lymphflüssigkeit zu wesentlichen Teilen aus Omega-3-Fettsäuren.

Im Folgenden wies er auf irreführende Bezeichnungen, die im Ölmarkt verwendet werden, hin. So bedeutet unter anderem kaltgepresst nur, dass Temperaturen unterhalb von 190° C angewendet werden.

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Am Ende des Vortrages fand noch eine Verkostung der von oleofactum® hergestellten Produkte statt, bei der wir die Vielfalt von Sorten und deren Geschmack kennenlernen durften. Da es für die gesunde Lebensweise wichtig ist diverse Öle zu verwenden, wurde dabei auch auf die unterschiedlichen Wirkungen der Öle eingegangen.

Für diesen interessanten, leidenschaftlichen und lehrreichen Vortrag möchten wir uns ganz herzlich bei Herrn Walter Bitzer und Herrn Flad bedanken.

Michelle Neuhaus und Sophia Wahl, PTA 18

 

Am 6. Juni 2016 hielt Herr Walter Bitzer (Fa. oleofactum) bei PTA 18 einen hochinteressanten Vortrag über Speiseöle am Institut Dr. Flad. Wir freuten uns darauf, den angesehenen und kritischen Ölexperten am Institut begrüßen zu dürfen.

Herr Bitzer erlernte das Ölmüller-Handwerk in einer Ölmühle in Oberkirch (Baden). Seit den 70er Jahren sammelt und erwirbt er Wissen rund um den Prozess der Ölherstellung, der Ölinhaltsstoffe sowie deren Wirkung auf Geist und Körper.

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Herr Bitzer ist Gründer und Inhaber der Ölmühle Oleofactum in Offenburg, welche Bio-Speise-Frischöle in außergewöhnlich hoher Qualität herstellt und aus den nachfolgend beschriebenen Gründen auf die "Segnungen" der modernen Agrarindustrie verzichtet.

Der Vortrag war in folgende drei Teile untergliedert:

1. Frühe Vielfalt, Geschichte der Fettgewinnung

Datierungen mittels der Radio-Carbon-Methode legen nahe, dass bereits vor ca. 40000 Jahren Sesamöl gewonnen wurde. Auch im südfranzösischen Rhonetal wurden derartige Entdeckungen für die Zeit vor ca. 13000 Jahren gemacht.

Weiterhin soll die althebräische Zahl "Cheth" (= 8) in einem engen Zusammenhang mit Ölen bzw. Salbölen stehen.

In Deutschland wurde die Speiseölwirtschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich durch einen Erlass von Kaiser Wilhelm II. beeinflusst, welcher zur Verbesserung der Hungersituation in der Bevölkerung beitragen sollte. Gegen Ende der 1920er Jahre wurde hierzulande die industrielle Fettproduktion etabliert. Bedingt durch die Inbetriebnahme der ersten großtechnischen Raffinationsanlage 1933 in Hamburg sowie durch das "Volksfetternährungsgesetz zum Erhalt der Wehrkraft" während der Zeit des Nationalsozialismus kam die handwerkliche Ölmüllerei abrupt zum Stillstand und konnte nicht überleben. Die NS-Regierung schnitt die Ölmühlen durch das Gesetz von ihren Rohstofflieferanten ab. Die handwerkliche Fachliteratur verschwand aus der Öffentlichkeit und wurde in der Landesgewerbsbücherei Karlsruhe aufbewahrt. Weiterhin verwies Herr Bitzer darauf, dass noch in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts "Ölmühlenqualität" bis zu fast 4% Gebein enthalten durfte, z.B. Knochen, Kot, Eulengewöll, nicht gerade lecker! Viel gefährlicher hingegen war der Gehalt an gesundheitsschädlichen Schimmelpilzgiften (Aflatoxine).

Durch die Verwendung moderner Technologien (u.a. Laser) gehören diese Probleme aber glücklicherweise der Vergangenheit an.

2. Fettaufbau, Fettfunktionen, Aspekte aktueller Fettgewinnung

Herr Bitzer stellte die wichtigsten Formen der ungesättigten Fettsäuren vor und ging in diesem Zusammenhang besonders auf die Unterschiede zwischen den Omega-3- Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren ein. Er betonte die gesundheitlich vorteilhaften Wirkungen der Omega-3-Fettsäuren, welche z.B. in Leinöl in bedeutender Menge enthalten sind, sich aber strukturell von den in Kaltwasserfischen enthaltenen Omega-3-Fettsäuren unterscheiden. Diese Omega-3-Fettsäuren sind ein wesentlicher Bestandteil der Lymphflüssigkeit und essentiell für die Atmung.

Die Omega-6-Fettsäuren, wie z.B. die Linolsäure, werden in der Leber u.a. in die - in größerer Menge gesundheitlich bedenkliche - Arachidonsäure umgewandelt.

Aufgrund des sehr hohen Gehalts an Linolsäure (ca. 75%) empfiehlt Herr Bitzer die Verwendung des Distelsamenöls nicht. Die Nutzung von Sonnenblumenöl mit einem Linolsäuregehalt von ca. 50% hält er dagegen für unproblematisch. Omega-6-Fettsäuren können Entzündungsprozesse im Köper verstärken. Menschen, die unter entzündlichen Erkrankungen leiden, sollten daher eine hohe Zufuhr von Omega-6-Fettsäuren meiden.

Herr Bitzer betonte, dass aber trotz der heutzutage deutlich gestiegenen Qualitätsstandards, v.a. im Hygienebereich, nicht alles "im grünen Bereich" ist.

Als Beispiele für aktuelle Probleme führte er u.a. folgende Aspekte auf:

  • H-Öle
    Der kommerzielle Ölmarkt, von Discountern bis renommierten Bio-Anbietern, verwendet H-Öle, ganz in Analogie zur H-Milch. Die für den Hersteller und den Kunden sehr praktische verlängerte Haltbarkeit wird u.a. durch Wärmezufuhr und Antioxidantienzugabe erkauft. Für zahlreiche Öle, v.a. die mit einem hohen Anteil an ungesättigten Doppelbindungen, kann ohne Zusatzmaßnahmen der Verzehr nur für einen kurzen Zeitraum (allgemein ca. 4 Wochen, Sonnenblumenöl länger) empfohlen werden. Bei längerer Aufbewahrung bilden sich zunehmend die gesundheitlich bedenklichen Peroxide und auch der Geschmack bzw. das typische Aroma werden negativ beeinflusst. Das gesetzlich vorgegebene Mindesthaltbarkeitsdatum ist hingegen deutlich großzügiger (länger) bemessen, da keine unmittelbare gesundheitliche Gefahr von einem "reiferen" Öl ausgeht.

  • Desodorierung von Ölen
    Beim Desodorieren werden wichtige Stoffe, Phospholipide wie z.B. Lecithin aus dem Öl abgetrennt. Diese Stoffe geben dem Öl Identität, weil sie geschmacksbestimmend sind. Weiterhin sind sie für wesentliche neuronale Vorgänge von Bedeutung. Ein Phospholipidmangel kann somit gesundheitliche Risiken erzeugen. Die Lebensmittelindustrie benötigt die abgetrennten Phospholipide zur Herstellung von Emulgatoren.

  • Kaltgepresste Öle
    Kaltgepresste Öle im engeren Sinne existieren nicht. Pressdrücke (350 bar), Scherkräfte etc. erzeugen Wärme. Öle können theoretisch bis 190°C als kaltgepresst deklariert werden, weil "kaltgepresst" kein gesetzlich geregelter Begriff ist. Die gesetzlich fixierte Heißpressung beginnt bei 190°C. Die gesundheitsförderlichen natürlichen Cis-Formen der ungesättigten Fettsäuren werden durch Wärmezufuhr in die gesundheitlich bedenklichen Transfettsäuren überführt.

  • Hybride
    Zunehmend werden Öle aus High-Density-Hybriden gewonnen. Diese neuartigen Züchtungen ermöglichen einen optimalen Ertrag und damit günstigen Preis, allerdings verbunden mit zahlreichen Nachteilen. Dies ist auch ein Grund dafür, weshalb formal sehr hochwertiges "Natives Olivenöl Extra" so billig angeboten werden kann. Eine weitere Ursache liegt in der Tatsache begründet, dass Vollernter die Oliven bereits im unreifen Zustand gewinnen, da die reifen Oliven bei diesem Verfahren stark verletzt würden.

3. Degustation diverser Öle

Nach Ansicht von Herrn Bitzer besitzt der Mensch - wie auch zahlreiche Tiere - ein untrügliches natürliches Instrumentarium, um die Qualität von Ölen zu beurteilen. Dabei sollten wir uns weit mehr als bisher auf unsere Sinne, z.B. Geruch, Geschmack und Mundgefühl (Textur) verlassen, um zukünftig nicht mehr auf die halbherzigen Versprechungen der Werbeindustrie hereinzufallen. Deshalb erfolgten am Ende des Vortrags praktische Übungen zur Schulung des Sensoriums. Die Vorgehensweise bei der Ölverkostung erinnerte stark an die Regeln einer Weinverkostung.

Unter dem Motto des französischsprachigen Pädagogen und Philosophen Jean-Jacques Rousseau lud Herr Bitzer die Teilnehmer an den Degustationstisch: " Es ist nichts im Verstande, was nicht zuvor in den Sinnen war."

Folgende Öle wurden verkostet:

  • Aprikosenkernöl
    Das Öl besitzt aufgrund der Verwandtschaft zur Mandel einen fruchtig-mandeligen Geschmack.
  • Haselnussöl
    Das Öl besitzt einen nussigen und betörenden Geschmack. Hildegard von Bingen brachte daher den Sündenfall im Paradies mit der Haselnuss in Verbindung und empfahl nur widerstrebend Haselnussöl bei nachlassender Manneskraft.
  • Kürbiskernöl
    Das Öl besitzt einen angenehmen, schwer beschreibbaren, fast räumlichen Geschmack mit ausgeprägter Textur.
  • Mohnöl
    Das Öl besitzt ein dezent süßes und mohnig-fruchtiges Bouquet.
  • Sesamöl
    Das Öl besitzt einen angenehmen und nussartigen Geschmack.
  • Sonnenblumenöl
    Das Öl besitzt einen dezenten, relativ neutralen Geschmack.

Als Mitbringsel bekam jeder Teilnehmer eine Packung Kokosöl und Sonnenblumenöl überreicht.

Resümee

Die Leidenschaft zu seinem Beruf ist Herrn Bitzer deutlich anzumerken.

("Beruf als Berufung"). Seine Bekanntschaft mit dem "Urwalddoktor" Albert Schweitzer dürfte dazu beigetragen haben, dass Herr Bitzer hochempathisch, aber durchaus entschlossen, einen offenen und ehrlichen Umgang mit dem Thema Speiseöl einfordert. Nicht industriegeleitete Interessen und fragwürdige Versprechungen der Werbewirtschaft, sondern vielmehr die handwerklich versierte Herstellung qualitativ hochwertiger und gesunder Speiseöle, im Einklang mit der Natur, ist seine Zielsetzung. Aus diesem Hintergrund heraus lassen sich seine Vorbehalte gegen die geplanten Wirtschaftsabkommen CETA und TTIP gut nachvollziehen. Inhaltlich ergänzte der schwerpunktmäßig an der Praxis ausgerichtete Vortrag sinnvoll den Ernährungskundeunterricht. Den Schülern wurde somit der Unterschied zwischen Theorie und Praxis anschaulich und kurzweilig vor Augen geführt. Außerdem wurden die Schüler dazu ermuntert, die Informationen der Industrie - aber auch die Aussagen einiger Fachinstitutionen - kritisch zu hinterfragen. Ein wirklich gelungener und lehrreicher Vortrag. Wir hoffen daher, Herrn Bitzer und seinen engagierten Mitarbeiter auch zukünftig am Institut Dr. Flad begrüßen zu dürfen.

Dr. Martin Zick

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