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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Lehrerexkursion:
Kaffeefahrt zur Villa Franck in Murrhardt

am Donnerstag, 28. Juli 2016

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Unsere Lehrerexkursion ist eine Einrichtung mit Tradition und findet immer am ersten Tag der Sommerferien in Baden-Württemberg statt. Für die diesjährige Lehrer-Exkursion gab es am 28. Juli 2016 eine Kaffeefahrt der besonderen Art, und zwar zur Villa Franck in Murrhardt. Diese war ab 1907 die Sommerresidenz der Ludwigsburger Kaffee-Fabrikantenfamilie Franck, eine einzigartige Anlage mit Park, die im Original erhalten ist. Patrick Siben führte durch das museale Anwesen und erzählte etwas zu dessen Geschichte.

In Murrhardt besichtigten wir die Villa Franck. Prof. Klaus Roth aus Berlin trug über die "Chemie des Espressos" vor. Nach dem Mittagessen und einem Spaziergang im Park der Villa gab es ein Konzert der Stuttgarter Saloniker mit Kaffeehausmusik und Kaffee und Kuchen.

Zum Abschluss trug Prof. Dr. Peter Menzel noch ein eigens für diesen Tag verfasstes Gedicht vor. Alle Beteiligten waren sich einig - wie auch die zahlreichen Gästebucheinträge zeigen -, dass es ein rundum gelungener Tag war!

Exkursion zur Residenz des Carokönigs

50. Lehrerexkursion des Instituts Dr. Flad

Zu einer Kaffeefahrt der besonderen Art lud das Institut Dr. Flad aus Anlass seiner traditionellen Lehrerexkursion am 1. Tag der Sommerferien ein. Mit dabei in diesem Jahr waren die Teilnehmer des Fehling-Labs der Uni Hohenheim mit Prof. Menzel.

Die Lehrerexkursion feierte in diesem Jahr ihr 50jähriges Jubiläum. Deshalb stand ein besonderes Ziel auf dem Programm. Es war die Villa Franck in Murrhardt. Diese Villa war seit 1907 die Sommerresidenz der Ludwigsburger Fabrikantenfamilie Franck.

Schulleiter Wolfgang Flad begrüßte die Teilnehmer auf der Freitreppe der Villa. Er betonte dabei, dass das Ziel der Lehrerexkursionen des Instituts die Lehrerfortbildung sei. Dass in der Lehrerschaft großes Interesse für diese Art der Fortbildung bestehe, zeige die große Zahl der Anmeldungen, so dass in diesem Jahr 2 Busse benötigt wurden.

Eine 2. Begrüßungsrede hielt der Hausherr, Patrick Siben. Er ist Gründer und Pianist der Stuttgarter Saloniker und übernahm die Villa im Jahr 2001. Er machte sie zum Stammhaus seiner Familie und des Orchesters. Mit seiner Begrüßung verband er erste Hinweise auf die Architektur der Villa als einer Synthese von Jugendstil und Historismus mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Ludwigsburger Fabrikantenfamilie Franck, die die Villa seit 1907 als Sommerresidenz nutzte.

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Die Kaffeefirma Franck

Der Unternehmensgründer Johann Heinrich Franck hatte seine 1828 gegründete Landkaffee-Manufaktur 1868 nach Ludwigsburg verlegt. Nachdem feststand, dass der Firmensitz in Vaihingen/Enz nicht an das württembergische Eisenbahnnetz angeschlossen würde, erfolgte der Umzug. Danach begann die kräftige Expansion der Firma. Aufgrund der Einführung von Zöllen nach der Gründung des Kaiserreichs 1871 war die Firma gezwungen, auch ins Ausland, vor allem nach Osteuropa, dem Hauptabsatzgebiet des "Muckefuck", zu expandieren. Schließlich betrieb die Familie 17 Produktionsanlagen, hauptsächlich in Europa, aber selbst New York war Standort einer Kaffeefabrik der Familie Franck. In ihnen wurde neben Traditionsprodukten, wie "Linde´s Kornkaffee" und "Kathreiner Kneipp Malzkaffee", bereits 1954 der "Caro Instant Kaffee" entwickelt, der erste sofortlösliche Landkaffee Deutschlands, der heute noch hergestellt wird. Bestandteile des Kaffees sind geröstete Roggenkörner und Zichorie. Die Kaffeeprodukte gelten bis heute als Gesundheitskaffee.

Wer, wie der Verfasser dieses Berichts, jahrelang in Ludwigsburg in Bahnhofsnähe wohnte, kennt auch die Schattenseiten dieser Kaffeeherstellung. Über der Stadt, vor allem bei Wetterumschwüngen, lag ein deutlich wahrnehmbarer Geruch, der von der zur Kaffeeproduktion verwendeten Zichorie, der Wurzel der blauen Wegwarte, herrührte. Nach Auskunft von Exkursionsteilnehmern aus Ludwigsburg ist das heute noch so. Die "feindliche Übernahme" (Zitat Patrick Siben) der Firma Franck durch den Nestlé-Konzern hat daran nichts geändert.

So war es nicht verwunderlich, dass es die Fabrikantenfamilie seit 1907 in den Sommermonaten in die saubere Luft des Schwäbischen Waldes nach Murrhardt zog. Murrhardt bot sich besonders an, war es doch der Heimatort der Ehefrau von Robert Franck.

Auf einem ehemaligen Weinberggelände planten die Architekten Georg Staehelin und Paul Schmohl die Villa, die zwischen 1904 und 1907 gebaut wurde. Sie bot den Bewohnern in 42 Zimmern eine Wohnfläche von 1200 Quadratmetern. Nach dem Tod Robert Francks 1939 wurde die Villa, deren Unterhalt sehr kostspielig war, an verschiedene Besitzer verkauft, selbst ein Pflegeheim wurde darin betrieben.

Seit 2001 wird die Villa Franck von Patrick Siben und seiner Familie genutzt und restauriert. Sie steht zusammen mit dem großen Park unter Denkmalschutz und wird für Veranstaltungen genutzt. Siben berichtete vom Glück, der Passion und der Last, in einem historischen Gebäude zu wohnen. Von den rund 250 jährlichen Konzerten der Saloniker finden rund die Hälfte in der Villa statt. Zur Unterstützung der Finanzierung der Erhaltung des Hauses wurde auch ein Förderverein gegründet. Als Höhepunkt seiner Begrüßungsansprache kredenzte Siben den Teilnehmern Kostproben der heute noch lieferbaren Kaffeeprodukte. Bei einigen der älteren Gäste weckten die Kostproben Erinnerungen an den Kaffeegeschmack ihrer Jugendjahre.

Dies führte nahtlos zum 2. Höhepunkt der Veranstaltung, dem Vortrag von Prof. Roth über die "Chemie des Espressos".

Professor Roth ist am Institut Dr. Flad kein Unbekannter. Erst kürzlich sprach er dort in einem faszinierenden Vortrag über "Das chemische Geheimnis der Stradivari" und zeigte, dass Geigenspiel ohne Chemie, d.h. ohne Kolophonium, nicht gelingen kann. Prof. Roth ist nicht nur durch seine Artikel in der Rubrik "kurios, spannend, alltäglich" in der Zeitschrift "Chemie in unserer Zeit" bekannt, sondern auch durch viele Publikationen und Vorträge, in denen er versucht zu verdeutlichen, wie viel Chemie in alltäglichen Vorgängen steckt und auf diese Weise die diffusen Ängste zu bekämpfen, mit der die Menschen die Chemie verbinden. Für seine Bemühungen, das Fach unter die Leute zu bringen, erhielt er bereits 2008 den Preis für Schriftsteller der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

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Espresso: Rösten, Mahlen, Extrahieren

In seinem Vortrag ging es um die chemischen Hintergründe eines Alltagsphänomens, der Herstellung von Espresso. Er führte aus, dass es sich – oberflächlich betrachtet – bei der Produktion einer Tasse Espresso um einen einfachen dreistufigen Prozess handelt. Grüne Kaffeebohnen werden geröstet, dann gemahlen und schließlich unter Druck mit heißem Wasser in Espresso verwandelt.

Dieser Prozess wird weltweit pro Tag bei rund 50 Millionen Tassen Espresso durchgeführt. Allerdings ist das Ergebnis dieses Prozesses nicht immer optimal. Das kann eigentlich nicht überraschen, ist doch die Verwandlung von 50 Kaffeebohnen in eine Tasse Espresso die reinste Chemie, so Roth. Und ohne chemisches Grundwissen könne dieses Kunststück nicht gelingen.

Die Röstung der Bohnen ist der erste Schritt und sie ist entscheidend für Aroma und Geschmack des Espressos. Dabei werden die grünen Kaffeebohnen in aromatisch duftende dunkle Bohnen umgewandelt. Der Röstprozess beginnt erst bei einer Temperatur von 160 Grad Celsius. Vorher verlieren die Bohnen nur Wasser. Durch das Rösten verändert sich ihre Zusammensetzung. Hauptprodukt ist dabei Kohlendioxid. Je Kilogramm Bohnen werden bis zu 12 Liter Kohlendioxid frei. Da die sehr dicken Zellwände der Bohnen intakt bleiben, steigt der Innendruck auf bis zu 25 bar an. Die Bohnen werden so zu einer Art Mini-Autoklaven. So entstehen aus den bisher identifizierten über 800 Inhaltsstoffen und den vielen polymeren Speicher- und Gerüstsubstanzen durch thermischen Abbau tausende neuer Verbindungen. Aus chemischer Sicht ist Kaffee somit unser komplexestes Getränk. Besonders bemerkenswert ist dabei die Entstehung des Vitamins Nicotinsäure durch die Röstung. Eine Tasse Espresso sorgt für 15 % der empfohlenen Tagesdosis. Studien mit vielen tausend Teilnehmern haben gezeigt, dass der Genuss von 4 Tassen Kaffee pro Tag bei den Probanden zu deutlich weniger Diabetes führte als im Durchschnitt der Bevölkerung. Auch eine deutliche Reduzierung von Schlaganfällen konnte nachgewiesen werden. Filterkaffee und Espresso sind also gesunde Getränke, so Roth.

Die zweite Stufe des dreistufigen Prozesses ist das Mahlen. Das Mahlen der Bohnen bewirkt die Vergrößerung der Oberfläche für die Extraktion.

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Nach dem Rösten ist die Kaffeebohne mit Kohlendioxid gefüllt. Das verhindert die unerwünschte Oxidation von Aromastoffen. Nach einigen Wochen wird das Kohlendioxid durch Luft verdrängt und Sauerstoff verursacht die unerwünschte Oxidation. Der Kaffee schmeckt dann alt und muffig. Das Mahlen der Bohnen führt zu sofortigen Oxidationsreaktionen. Die Erwärmungsphase beim Mahlen soll nur sehr kurz sein, der Temperaturanstieg somit gering. Hier haben professionelle Kaffeemühlen deutliche Vorteile. Die Konsequenz für einen hohen Kaffeegenuss heißt also, dass Espresso nur aus frisch gemahlenen Bohnen zubereitet werden soll.

Auch die Korngröße spielt eine wesentliche Rolle. Das Kaffeepulver für Espresso hat Korngrößen von 0,3-0,4 mm, herkömmlicher Filterkaffee von 0,4-0,6 mm.

Für die Extraktion haben sich aus langer Tradition bestimmte Standards ergeben:

Ein Siebradius von 3,5 cm, 30 ml Wasser, 5-8 g Kaffeepulver, ein Druck von 7-11 bar und eine Wassertemperatur von 85-95 Grad Celsius.

Die chemischen Vorgänge in der Espressomaschine sind kompliziert. Nur 75% des gut löslichen Koffeins werden extrahiert. Das hat aber den Vorteil, dass nicht erwünschte Inhaltsstoffe nicht extrahiert werden. Espresso ist deshalb bekömmlicher als Filterkaffee.

Die "Krone" des Espressos: Die Crema

Die Crema entsteht während der Extraktion. Durch die hohe Temperatur schmilzt das in den Bohnen enthaltene Fett und sorgt für eine Schaumschicht auf der Flüssigkeit. Die Crema eines Espressos muss fest, mittelbraun und von hellen Streifen durchzogen sein (Tigerfelleffekt). Auch nach dem Umrühren muss sich die Crema wieder schließen. Eine zu helle, dünne und instabile Crema deutet auf Unterextraktion hin, die von zu grobem Mahlen oder zu niedriger Wassertemperatur herrührt. Eine feste Crema hält flüchtige Aromastoffe zurück, verhindert ein zu schnelles Abkühlen und die im Fett gelösten Aromastoffe sind vor Hydrolyse geschützt.

Die Zuhörer hatten dem Vortrag von Prof. Roth mit großem Interesse zugehört. Das bewiesen auch die zahlreichen Fragen am Ende.

Patrick Siben führt durch Villa und Park

Nach dem Mittagessen bewies Patrick Siben erneut sein Talent als Führer durch die Architektur des Gebäudes und Kenner der Familiengeschichte der Familie Franck. Es gelang ihm mühelos, seine Begeisterung für das Gebäude und den Park auf die Teilnehmer zu übertragen.

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Das Hauptgebäude der Villa, ursprünglich Villa Hohenstein genannt, hat seinen Haupteingang auf der Nordseite. Er ähnelt in der Gestaltung einer Ritterburg. Dort konnten die Besucher mit dem Wagen vorfahren. Auf der Südseite sollte der Eindruck eines Schlosses erzeugt werden. Es gab eine gewaltige Freitreppe mit 132 Stufen. Die Südseite wurde in der Manier Palladios gestaltet. Verwendet wurden nur die teuersten Materialien, Maulbronner Marmor, die Steinmetzarbeiten wurden in Crailsheimer Muschelkalk ausgeführt.

Wandelgang und Altane auf der Südseite sind Zitate von Schloss Solitude und der Ludwigsburger Barockarchitektur.

Auch die Technik des Gebäudes überraschte. Geniale Lösungen machten des Leben in der Villa einfacher. Eine durchdachte Zentralheizung, Wasserspülung für die Toiletten, ein modern anmutendes Kommunikationssystem, eine geniale Klimaanlage und Lüftung waren ihrer Zeit voraus und können in der Konstruktion heute noch als Vorbilder dienen.

Auch der anschließende Gang durch den 7 ha großen Park bot noch manche Überraschung. Er war von dem Kunstgärtner Albert Lilienstein gestaltet worden. Die nahe beim Haus liegenden Teile waren gärtnerisch gestaltet, die weiter entfernt liegenden Teile waren im Stil unberührter Natur gehalten. Patrick Siben konnte auf eine ganze Reihe noch erhaltener Kleinode hinweisen, etwa auf die Scheinruine am Nordeingang des Villa, einen Monopteros, der Liebestempel genannt wurde und der in der Sichtachse des Balkons und des Schlafzimmers der Villa lag, oder das Empfangstor an der Nordseite des Parks, wo die Besucher unter einem Caro-Symbol empfangen wurden.

Zum Abschluss: Die Saloniker im Salon

Nach der Führung durch den Park wurden die Gäste mit Kaffee und Kuchen gestärkt, ehe es zum letzten Höhepunkt des Tages kam, einem Konzert der Saloniker. Patrick Siben war nicht nur als Pianist zu hören, sondern bewies sein Multitalent auch als Conferencier. Er verband die Erklärung der Musikstücke wieder mit der Geschichte der Familie Franck.

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Der Salon, in dem das Konzert stattfand, ist sicher das Schmuckstück der Villa Franck. Er entstand aus dem erweiterten Damenzimmer und ist erlesen ausgestattet.

Der Fußboden besteht aus Tropenholz von Zitrone, Orange und Palisander, an den Wänden findet sich eine Kirschholzvertäfelung, blaue Malereien und schließlich ein blauer Kamin aus brasilianischem blauen Marmor.

Die Musik umfasste historisch die Blütezeit der Familie Franck. Vor allem die Musik des 19. Jahrhunderts von "Wien bleibt Wien", über die "Schöne blaue Donau" bis hin zu amerikanischem Jazz und der Vorführung eines "Original Sound Generators" nach der Erfindung von Edison mit einer Blue Amberol Zelluloidwalze wurde geboten. Siben analysierte die musikalische Entwicklung dieser Zeit als Ausdruck des Protests gegen überkommene politische und gesellschaftliche Strukturen. Vor allem in den Vereinigten Staaten sei in dieser Zeit eine neue multikulturelle Gesellschaft mit entsprechend neuer Musik entstanden. Das Orchester demonstrierte diese Entwicklung mit Musik vom Cakewalk bis zum Ragtime Scott Joplins hin zu Georg Gershwins "Oh Lady be good" mit der Vereinigung von harmonischer europäischer Musik mit Swing-Rhythmen. Ein sichtbar und hörbar enthusiastisches Publikum feierte die Saloniker und erhielt 2 Zugaben.

Damit ging eine besondere Lehrerfortbildung zu Ende, die getreu dem alten Motto des Horaz "prodesse et delectare" Lernen und Vergnügen auf beispielhafte Weise verbunden hat.

Dr. Siegfried Kümmerle

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Die Villa Franck in Murrhardt
© Roman Eisele / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 & GFDL = 1.2

Exkursion Institut Dr. Flad 28. Juli 2016
Villa Franck Murrhardt

Es heischen Brauch und gute Sitten,
Dass einer aus der Gäste Mitten
Dem Spender ausspricht aller Dank
Für diesen Tag bei Villa Franck.

Wo einstmals Caro König war,
Die Villa ist noch wunderbar,
Erbaut in edlem Jugendstil,
Im großen Park davon auch viel.

Salonmusik mit Patrick Siben,
Das ist es, was die Gäste lieben,
Und obendrein Kaffee und Kuchen,
Das muss man sonst sehr lange suchen.

Dazu als weitres Angebot
Der Vortrag von Professor Roth.
"Espresso und Chemie“ benannt,
Wo Vieles uns noch unbekannt.

Die Exkursion war wirklich schön,
Wir freun uns auf ein Wiedersehn.

Prof. Dr. Peter Menzel

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