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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

"650 Jahre Pharmaziegeschichte - Von der Quacksalberei zur Wissenschaft"

Vortrag von Irene Franziska Maurer, Apothekerin

Am Freitag, 19. Mai 2017, im Institut Dr. Flad

 

650 Jahre Pharmaziegeschichte -
Von der Quacksalberei zur Wissenschaft

Mit einem spannenden Vortrag über die historische Seite der Pharmazie und die Geschichte ihrer Apotheke stellte sich die Apothekerin Frau Irene Franziska Maurer den Pharmazieschülern des Instituts Dr. Flad vor.

größer In seiner ausführlichen Einleitung zum Vortrag von Frau Maurer wies Schulleiter Wolfgang Flad auf die Bedeutung der Beschäftigung mit der Geschichte der Naturwissenschaft hin. Wolfgang Flad zitierte in seiner Einleitung den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der ausgeführt hatte, dass wer vor der Vergangenheit die Augen verschließe, blind für die Zukunft werde. Auch der ehemaligen französischen Kultusminister André Malraux fand Erwähnung mit einem Zitat, das auf die Wichtigkeit der Beschäftigung mit der Geschichte für die Gestaltung der Zukunft hinwies.

Dass die Beschäftigung mit der Geschichte der Pharmazie am Institut Dr. Flad nicht neu ist, belegte Wolfgang Flad u.a. mit dem Hinweis auf die Publikation zum 80. Geburtstag seines Vaters Dr. Manfred Flad aus dem Jahr 1993, die sich mit der Alchemie am Hof von Herzog Friedrich I. von Württemberg an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert befasste.

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Die Beschäftigung mit der Geschichte der Pharmazie ist für Chemiker besonders interessant, schließlich ist die Chemie im Lauf der Jahrhunderte aus der Pharmazie hervorgegangen. Nicht nur dies - auch im Blick auf die privaten Lehranstalten ist die Geschichte der Pharmazie aufschlussreich, denn wichtige Köpfe aus Forschung und Apotheken haben "nebenbei" private Lehranstalten betrieben.

Die Chemie erfuhr durch Apotheker einen wesentlichen Entwicklungsschub. Viele Apotheker waren für die Chemie so bedeutend, dass sie nicht mehr als Apotheker, sondern als Chemiker in Erinnerung geblieben sind.

Die Apothekerin Irene Franziska Maurer - ehemalige Chefin der Löwenapotheke in Ulm - machte diese Verbindung von Chemie und Pharmazie am konkreten Beispiel deutlich. Sie hatte nach Schule und Studium in München zusammen mit ihrem Mann seit 1971 die Löwenapotheke in Ulm geführt. Auch die PTA-Ausbildung ist ihr nicht fremd, hatte sie doch von 1972-1980 an der PTA-Schule in Biberach unterrichtet. In ihrem Ruhestand nach der Übergabe der Apotheke an den Nachfolger im Jahr 2005 befasste sie sich intensiv mit der Geschichte der Apotheke. Ergebnis dieser Beschäftigung war das Buch "650 Jahre Pharmaziegeschichte - Von der Quacksalberei zur Wissenschaft". Die Ulmer Löwenapotheke ist erstmals im Jahr 1364 erwähnt - einige Jahre vor der Grundsteinlegung des Ulmer Münsters.

Die Pharmazie blickt aber natürlich auf eine noch längere Geschichte zurück. Die bekannten Anfänge liegen im antiken Griechenland bei Hippokrates, dessen Lehre von den Körpersäften, die Medizin bis in die Zeit der Aufklärung bestimmte. Der hippokratische Eid der Ärzte erinnert noch heute an ihn. Ein weiterer wichtiger Namen ist Galenos, rd. 150 v. Chr. , von dem die ersten Vorschriften für die Herstellung von Salben und Pflastern stammen und der so eigentlich den Beruf des Apothekers begründete. Sein Name ist heute noch in der Galenik, einem Teilgebiet der Pharmazie, enthalten. Um die Jahrtausendwende war die arabische Medizin führend. In fiktiver Form kann man das in Noah Gordons Bestseller "Der Medicus" kennenlernen.

Im christlichen Abendland fand die Pharmazie ihren Ort in den Klöstern. Namen wie Walafried von Strabo um 825 n. Chr. oder Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert sind heute noch bekannt. Der Schwerpunkt lag damals auf der Erforschung der Wirkungsweise von Heilkräutern, die in den Klostergärten kultiviert wurden. Beispiele solcher Klostergärten gibt es z.B. heute noch auf der Insel Reichenau im Bodensee zu sehen.

Einen wichtigen Schritt zur Professionalisierung des Apothekerstandes machte die Pharmazie unter dem Stauferkaiser Friedrich II. von Sizilien. Er war wissenschaftlich sehr interessiert - die Zeitgenossen gaben ihm den Beinamen "Stupor mundi", d.h. das Staunen der Welt. Er erließ 1240 eine Medizinalordung mit einer Reihe von Vorschriften, die u.a. die Trennung von Medizin und Pharmazie vorschrieb. Das war sicher eine weise Entscheidung zum Wohl der Patienten, weil damit die Geschäftsfelder getrennt waren.

Aus der Zeit der 1. Erwähnung der Ulmer Löwenapotheke stammt auch die Verpflichtung der Apotheker durch einen Eid. Die Apotheker hatten Regeln einzuhalten und sie waren geschäftlich eigenständig, wurden aber durch die Ärzte im Auftrag der Obrigkeit kontrolliert. Im Lauf der Zeit durfte eine Apotheke nur mit behördlicher Erlaubnis betrieben werden, dem sog. Privilegium. Dieses wurde später durch Konzessionen abgelöst, die nach dem Tod des Apothekers nicht vererbt werden konnten. Heute gilt die Niederlassungsfreiheit.

Auch im Blick auf die in der Apotheke verwendeten Arzneimittel gab es interessante Entwicklungen. In den Anfängen bestimmten weniger wissenschaftliche Erkenntnisse als der überkommene Aberglaube die Verwendung und Herstellung von . Heilmitteln. So gab es etwa von der Antike bis ins Mittelalter das extrem teure opiumhaltige Wundermittel Theriak, ein Allheilmittel aus mehr als 200 Zutaten, das aber dann am Beginn der Neuzeit aus den Arzneischränken verschwand.

Im 17. Jahrhundert kam die sogenannte Dreckapotheke auf, wo Substanzen als Heilmittel eingesetzt wurden, die aus heutiger Sicht ekelerregend sind, z.B. Kot, Urin, Blut, Eiter, Schleim. Sogar Körperteile fanden Verwendung.

Die Arbeit des Apothekers brachte auch eine Reihe von Nebenprodukten hervor. Insbesondere die Alchemie, die Gold auf chemischem Wege herstellen wollte und damit natürlich scheiterte, produzierte neben zahllosen Misserfolgen auch eine Reihe von ungewollten positiven Effekten.

So gelang es etwa dem Apothekergehilfen Johann Friedrich Böttger im 17. Jahrhundert am Hof Augusts des Starken in Sachsen Porzellan (das weiße Gold) herzustellen und es kam zur Gründung der Porzellanmanufaktur in Meißen unter seiner Leitung.

Carl Spitzweg, der bekannte Maler, war ursprünglich Apotheker, ebenso wie August Oetker, der Erfinder des Backpulvers.

Auch der Begründer der Homöopathie, Christian Friedrich Hahnemann, übte neben anderen Tätigkeiten den Beruf des Apothekers aus. Er lag allerdings oft im Streit mit den hauptberuflichen Apothekern, weil die sich an seiner "interdisziplinären" Tätigkeit als Chemiker bzw. Pharmazeut bzw. Arzt störten. Die "hahnemannsche" Weinprobe, die es ermöglichte, die Verfälschung von Wein mit giftigem Bleizucker nachzuweisen, machte seinen Namen bekannt.

Auch aus späterer Zeit nannte Frau Maurer beeindruckende Beispiele von Apothekern, die außerhalb ihrer Zunft große Erfolge hatten. So etwa der Inhaber der Ulmer Kronenapotheke, Ernst Gustav Leube, den ersten Apotheker mit einem Doktortitel in Deutschland.

Er hatte mit der Zementproduktion so viel Erfolg, dass er zum reichsten Mann Ulms aufstieg und die offensichtlich nicht so ertragreiche Kronenapotheke aufgeben konnte.

Auch der 1837 geborene Dr. Karl Wacker hatte mit Trinkwasseruntersuchungen und der Gründung des 1. Lebensmittelinstituts und der Gründung der homöopathischen Zentralapotheke großen Erfolg und wurde so zu einem der angesehensten Bürger der Stadt, wo er 36 Jahr Stadtrat war.

Aber auch die Darstellung der schweren Zeiten, die die Familie Maurer in der Löwen-Apotheke durchmachen musste, war beeindruckend. 1910 war die Apotheke von der Familie Maurer übernommen worden. Sie konnten die Apotheke über die Zeiten des 1. Weltkriegs und der Inflation in den 30er Jahren halten. 1944 wurde die Apotheke bei der Bombardierung Ulms zerstört, aber bereits 2 Tage danach ging der Betrieb in provisorischen Räumen weiter. Auch das ein Zeichen dafür, dass sich Apotheker den Patienten verpflichtet fühlten. Der Wiederaufbau war dann 1949 vollendet und der Betrieb konnte in den neuen Räumen weitergeführt werden.

Der Ausblick in die Zukunft ist allerdings nicht unbedingt verheißungsvoll. In alten Zeiten galt der Satz "Ein Mann, eine Apotheke". Gemeint war, dass eine Apotheke eine Familie ernähren konnte. Aber die eigentümergeführten Apotheken sind auf dem Rückzug. Die großen Ketten und Versandapotheken sind auf dem Vormarsch. Das ist für die Patienten sicher ein Verlust, weil der persönliche Kontakt zwischen Patient und Apotheker dem Wohl des Patienten gedient hat.

Siegfried Kümmerle