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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Insektenbiotechnologie zur Erschließung von Biodiversität für die Bioökonomie

Prof. Dr. Andreas Vilcinskas
Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Insektenbiotechnologie

größer Insekten sind im Hinblick auf die Biodiversität die erfolgreichste Organismusgruppe. Über eine Million unterschiedliche Arten bevölkern unseren Globus.

Die Insektenbiotechnologie, auch Yellow Biotechnology genannt, bietet wegen der immensen Vielfalt dieser Tiere zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten.

Prof. Dr. Andreas Vilcinskas, Leiter der Fraunhofer Projektgruppe "Bioressourcen" im TIG, entführte die Zuhörer mit seinem Vortrag in die faszinierende Welt dieser Lebewesen.

"Von den Insekten lernen heißt siegen lernen", stellte Prof. Vilcinskas fest und verwies auf die Arzneimittelforschung. Diese steckt schon seit längerem in einer Krise. So hilfreich der Einsatz von Antibiotika in der Vergangenheit war - die zunehmende Resistenz bereitet den Medizinern gewaltige Probleme. Die Entwicklung neuer Medikamente stagniert: zu zeitaufwändig, zu viele Rückschläge in der Erforschung und Erprobung, zu teuer...

Da liegt es nahe, sich der Insektenwelt zu bedienen. Die Entwicklung und Anwendung von biotechnologischen Methoden ermöglicht es, Insekten bzw. die von ihnen stammenden Organe, Zellen, Moleküle... zum Wohle der Menschheit einzusetzen, sei es in der Medizin oder in der Landwirtschaft. Prof. Vilcinskas sprach von einer "gewaltigen Naturstoffbibliothek", die zunehmend erschlossen werden kann.

Insekten auf Rezept? Keine Utopie, sondern Realität!
Die Therapie mit gezüchteten Maden ist sehr erfolgreich. Ein in ihrem Speichel vorkommendes Sekret tötet antibiotika-resistente Bakterien ab; spezielle Enzyme fördern die Blutgerinnung und bauen nekrotisches, abgestorbenes Gewebe ab. Maden beschleunigen nachweislich die Wundheilung.

größer Nun kommt die Biotechnologie ins Spiel. Anstelle lebender Tiere macht man sich die Superpeptide, die im Speichelsekret vorkommen, zunutze, baut diese in Hydrogele ein. Für die Galenik ergeben sich durch die Yellow Biotechnology ganz neue Perspektiven.

Als nächstes vielversprechendes Insekt stellte Prof. Vilcinskas den Asiatischen Marienkäfer vor. Dieser hat ein extrem gut funktionierendes Immunsystem. Er verdrängt deswegen heimische Arten, aber man kann den Bestandteil dieses Abwehrsystems, Harmonin, auch nutzen, um biotechnologisch Medikamente gegen Parasiten zu entwickeln.

Ein für die Insektenbiotechnologie ebenfalls interessantes Tier ist der Totengräberkäfer. Wie schafft es dieses Insekt, eine Maus vor dem Maul zu verdauen, die um ein Vielfaches größer ist als er selbst? Prof. Vilcinskas klärte die Zuhörer auf: Die eigenartige Darmflora des Käfers ist mit Bakterien, Enzymen, Hefen besiedelt, die im großen Stil Fette abbauen. Die Erkenntnis über die sonderbaren Darmbewohner wird für die Entwicklung neuer Antibiotika genutzt.

Welch faszinierende Möglichkeiten die Biodiversität der Insekten bietet, zeigt ein letztes Beispiel. Bislang setzten Polizei und Zoll bei der Fahndung nach Drogen, Sprengstoff... speziell ausgebildete Hunde ein. Vielleicht gehört das bald schon der Vergangenheit an, weil die Arbeit der Vierbeiner durch Insektenantennen ersetzt wird. Diese wirken als Biosensoren. Von Schaben ist z.B. bekannt, dass sie auf Amphetamine reagieren. Insekten als Detektoren könnten zukünftig eine wichtige Rolle sowohl in der Medizin als auch in der Landwirtschaft spielen.

Die Entwicklung neuer Medikamente, Früherkennung von Krankheiten: Es bieten sich bisher ungeahnte Möglichkeiten. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit der Schädlingsbekämpfung im Agrarsektor.

Der Vortrag von Prof. Vilcinskas zeigte anschaulich, welch gewaltiges Potential die Insektenbiotechnologie hat.

Nun heißt es, die Kräfte zu bündeln. An Geld für weitere Forschungen mangelt es nicht, so der Referent. Die Firma Sanofi, die seit geraumer Zeit ihre Antibiotikaforschung eingestellt hat, stellte dem Fraunhofer- Excellenzzentrum für Naturstoffe über 130.000 Bakterien- und Pilzstämme für Experimente zur Verfügung.

Wie gesagt: "Von Insekten lernen heißt siegen lernen!"

Angela Schmitt-Bucher

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Mittwoch, 4. Oktober 2017, 14.00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad
 
Prof. Dr. Andreas Vilcinskas
Insektenbiotechnologie zur Erschließung von Biodiversität für die Bioökonomie
Prof. Dr. Andreas Vilcinskas: Insektenbiotechnologie zur Erschließung von Biodiversität für die Bioökonomie
 

Was Biodiversität betrifft, gelten Insekten mit über einer Million beschriebener Arten als die erfolgreichste Organismengruppe. Sie haben im Laufe ihrer Evolution ein riesiges Arsenal von Wirkstoffen und Enzymen entwickelt, mit denen sie sich gegen Krankheiten und Feinde verteidigen oder ihre Ernährung sichern können.

Die Erschließung dieser gewaltigen Naturstoffbibliothek für die Bioökonomie ist eine Kernaufgabe der Insektenbiotechnologie, die inzwischen auch als Gelbe Biotechnologie bekannt geworden ist.

 
 
Prof. Dr. Andreas Vilcinskas Prof. Dr. Andreas Vilcinskas

Biologie-Studium an der Uni Kaiserslautern und an der Uni Berlin (Diplom), Doktorand am Inst. für Zoologie der FU-Berlin (Promotion und Habilitation). W3 Forschungsprof. der JLU Gießen, Leiter der Frauenhofer Projektgruppe "Bioressourcen" im TIG, Koordinator und Sprecher des LOEWE-Zentrums "Insektenbiotechnologie & Bioressourcen".

 

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