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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

"Das chemische Geheimnis der Stradivari"

Vortrag von Prof. Dr. Klaus Roth im Rahmen der 'Chemie in unserer Zeit'-Roadshow 2016
Am 9. März 2016 um 15 Uhr im Institut Dr. Flad

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Das chemische Geheimnis der Stradivari

Prof. Dr. Klaus Roth

Vortrag am 9. März 2016 um 15 Uhr im Institut Dr. Flad, im Rahmen der Roadshow 2016 zum 50. Geburtstag der Zeitschrift "Chemie in unserer Zeit"

Was macht den unvergleichlichen Klang einer Stradivari aus? Das Geheimnis ist, zumindest aus chemischer Sicht, scheinbar schnell gelüftet. Es beruht letztendlich auf einer "protonenkatalysierten Umlagerung von konjungierten Doppelbindungen!" So die nicht ganz ernst gemeinte Quintessenz eines Vortrages, den Prof. Klaus Roth vom Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin anlässlich des 50. Geburtstages der Zeitschrift " Chemie in unserer Zeit" hielt.

Schulleiter Wolfgang Flad gratulierte zu diesem Ereignis der anwesenden Chefredakteurin Frau Dr. Fischer-Henningsen und er begrüßte zudem die Streicher Ikuko und Roland Heuer vom Staatsorchester Stuttgart. Ein Vortrag über die Chemie der Stradivari, gepaart mit musikalischer Begleitung: Welch ein "Leckerbissen" wurde den Zuhörern dargeboten!

Weshalb spielen in einem Orchester überwiegend Geiger statt Trompeter? Ganz einfach - es ist die Vielseitigkeit des Instrumentes, die Mannigfaltigkeit der Klangfarben. Roland Heuer demonstrierte hierzu unterschiedlichste Bogenstricharten. Aber auch ohne Bogen, z.B. durch Zupfen, kann man einer Geige wunderbare Töne entlocken. Eine Kostprobe der Modulationsmöglichkeiten brachten die beiden Streicher mit zwei Stücken von Bela Bartok dar.

Anschließend ging Prof. Roth auf sehr humorvolle Art auf die Geschichte der Geige ein und erinnerte daran, dass das Instrument eine Erfindung des 16. Jahrhunderts ist. Die Höhepunkte des Geigenbaus sind untrennbar mit Andrea Amatie, Nicolo Amatie sowie Antonio Stradivari verbunden. Deren Instrumente erzielen heute Höchstpreise, falls sie überhaupt verkauft werden.

Doch was unterscheidet eine gute Geige von einer schlechten? Worin liegt das Geheimnis einer Stradivari?
Betrachtet man deren Inneres, sieht sie aus wie eine Spanschachtel, so Prof. Roth augenzwinkernd. Überhaupt ließe man bei der Analyse hochwertiger Violinen eher die Physiker "ran" als die Chemiker. Trotz einschlägiger Untersuchungsmethoden, u.a. Vibriometrie, können auch diese das Rätsel des sagenhaften Klanges nicht lösen. Man kennt zwar das Resonanzprofil einer bestimmten Stradivari, aber richtig weiter hilft das auch nicht. Bringt die Chemie die Lösung?
Die Analyse der beim Geigenbau verwendeten Hölzer lüftet zumindest ein Teil des Geheimnisses.
Mittels Dendrochronologie untersucht man die Jahresringe. Es macht einen Unterschied, ob Früh- oder Spätholz für die Violine verarbeitet wird; zudem können Aussagen über das beim Wachstum des Baumes vorherrschende Klima gemacht werden.
Antonio Stradivari baute die Geige "Messias" im Jahr 1716. Das Fichtenholz stammte aus Tirol, das zudem verwendete Ahornholz aus Kroatien. Die schmalen Jahresringe der Hölzer lassen darauf schließen, dass damals eine "kleine" Eiszeit herrschte. Die kalten Winter hatten leichtes Holz zur Folge; leichtes Holz wiederum hat bessere Schwingungseigenschaften als schweres.
Farben und Lacke der Meistergeigen wurden ebenfalls unter die Lupe genommen - trotz aller "chemischer" Bemühungen kam man der Lösung nicht näher. Vielmehr stellte sich nicht nur die Frage, weshalb die Stradivaris so unvergleichlich klingen, sondern man fragte sich, ob sie überhaupt besser klingen als andere Geigen vergleichbarer Liga.

Ein Blindtest der BBC, durchgeführt 1977, sollte Klarheit schaffen.
Vier Geigen von Weltrang, eine Stradivari aus dem Jahr 1725, eine Guarneri del Gesù von 1739, eine Vuillaume von 1846 sowie ein von Ronald Praill neu angefertigtes Instrument, wurden auf den Prüfstand gestellt: Vier der weltbesten Geiger sollten erkennen, auf welchem Instrument sie jeweils spielen. Prof. Roth stellte lapidar fest: Nichts kam bei diesem Vergleich heraus. Spielt bei der hohen Wertschätzung der Stradivari vielleicht Autosuggestion eine Rolle? Spielt uns die Achtung vor dem Instrument einen "Hör-Streich"? Alles Spekulation!
Nachgewiesen dagegen ist, dass spezifische Schwingungen den Klang entscheidend beeinflussen.
Geigensaiten schwingen in einer Sekunde hunderte Male. Sie erzeugen dabei eine sogenannte "Helmholtz-Ecke": Zunächst haftet die Saite am Bogen, "rutscht dann aber nach unten", wie Prof. Roth sehr anschaulich erklärte. Haft- und Gleitphasen wechseln sich ab. Entscheidend für dieses Wechselspiel und den daraus resultierenden Klang ist eine Art Klebstoff, mit dem der Geigenbogen bestrichen wird: Kolophonium, welches aus Kiefernharz mittels Destillation gewonnen wird. Mono- und Diterpene spielen hier eine Rolle. Der Bogen wird mit dem Haar mongolischer Pferde bespannt, das zuvor mit Kolophonium eingerieben wurde. Durch die Streichbewegungen beim Spielen der Geige erhöht sich dessen Temperatur, was wiederum Einfluss auf den Rutsch- und Klebeeffekt hat. Wie ein Bogen ohne diese "Schmiere" klingt, demonstrierte Roland Heuer. Statt Streichmusik würden wir viel lieber Blasmusik hören, mutmaßte Prof. Roth. Letztendlich "versüßt" also ein von Menschen hergestelltes Material den Klang der Geigen. Warum aber eine Stradivari so fantastisch klingt, bleibt zwar weiterhin ihr Geheimnis, aber immerhin wissen wir jetzt, dass die "protonenkatalysierte Umlagerung von konjungierten Doppelbindungen in tricyclischen Terpenen" mit eine wichtige Rolle spielt.

Von Prof. Roth zum Hineinhören empfohlen:

http://abcviolins.com.au/bbc-radio


Angela Schmitt-Bucher

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Am 9. März machte die 'Chemie in unserer Zeit'-Roadshow 2016 Station im Institut Dr. Flad in Stuttgart. Anlässlich des 50. Geburtstags der Zeitschrift veranstalten Wiley-VCH und die GDCh eine Vortragsreihe rund um die Chemie. In Stuttgart spricht Prof. Dr. Klaus Roth über "Das chemische Geheimnis der Stradivari".

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Wenn Geigenvirtuosen uns mit dem Klang ihrer Instrumente verzaubern, glauben wir ganz, ganz weit weg von der Chemie zu sein. Das täuscht, denn selbst in der Werkstatt des großen Stradivaris, aber auch bei den Saiten und beim Bogen spielte und spielt Chemie eine wichtige Rolle. Suchen wir gemeinsam nach dem Geheimnis des schönen Geigenklanges mit chemischem Sachverstand und mit unseren Ohren.

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Prof. Dr. Dipl.-Chem. Klaus Roth ist Professor am Institut für Chemie der Freien Universität Berlin und erfolgreicher Autor von populärwissenschaftlichen Büchern, Artikeln in der "Chemie in unserer Zeit" und Vorträgen.
» Mehr zu seinem wissenschaftlichen Werdegang, Auszeichnungen und Publikationen

Website: www.klausroth.de