Chemie und Kunst
Dr. Juraj Lipscher
ETH Zürich
Mit seinem Vortrag "Chemie und Kunst" hat uns Dr. Lipscher einen Blickwinkel für fächerübergreifenden Unterricht eröffnet, den man bei Chemie und Kunst in der Schule zunächst gar nicht erwarten würde. Und so hat er dem Publikum an verschiedenen Beispielen gezeigt, wie mit Hilfe von naturwissenschaftlichen Methoden sich Gemälden weit mehr Geheimnisse entlocken lassen als der oberflächliche Kunstbetrachter zunächst erwarten würde.
Zuerst zeigte er, dass mit Hilfe der Infrarotreflektografie ein Portrait unter dem von Picasso stammenden Gemälde "das blaue Zimmer" auftaucht. Um diesen Versuch durchzuführen, benötigte er nur eine alte Glühlampe, die neben Licht auch Wärme abstrahlt, eine IR-Kamera und einen Computer. Das ebenfalls von Picasso stammende Portrait legt die Vermutung nahe, dass Picasso aus Sparsamkeitsgründen seine Bilder, die ihm nicht mehr gefielen, übermalt hat.
Danach stellte er das wohl am vielfältigsten untersuchte Bild vor. G. Bellinis "Fest der Götter" aus dem 16. Jahrhundert. Schon einem mit wenig Kunstverständnis ausgestatteten Betrachter fällt auf, dass hier etwas nicht stimmt. Und so wurde mit Hilfe der Röntgenographie herausgefunden, dass Bellini seine weiblichen Figuren nachträglich erotisiert hat. Nach dem Tod Bellinis wurde dann auf Wunsch des Auftraggebers durch dessen Nachfolger Dosso Dossi und Tizian der Hintergrund des Bildes übermalt.
Anhand des Gemäldes "Mädchen mit der Perlenkette" von Vermeer zeigte der Referent moderne Methoden wie die der Neutronen-Autoradiografie. Dabei werden Gemälde in einem Kernreaktor der Strahlung ausgesetzt und da die Atome verschieden stark rückstrahlen, lassen sich verschiedene Abbildungen des Gemäldes anfertigen. Auch hier wurden verschiedene Korrekturen des Künstlers im Laufe seiner Schaffensphase an einem Bild deutlich.
Die Raman Spektroskopie sollte am Bild "Madame L. Clapisson" von Renoir verdeutlichen, wie das mit nicht lichtechtem Karminrot gemalte Bild zur Zeit der Herstellung ausgesehen hat. Dazu konnten mit Laserstrahlen Pigmente identifiziert werden. In einer digitalen Verjüngungskur wurde deutlich, dass das Bild zum Zeitpunkt der Herstellung einen ganz anderen Eindruck machte wie wir es heute kennen. Dabei wurde auch deutlich wie unterschiedliche Rottöne auf Licht reagieren.
Bei der heute am häufigsten eingesetzten Methode der Röntgenfluoreszenz werden Gemälde intensiv mit verschiedenen Frequenzen bestrahlt und punktuell untersucht. Dabei zeigt das charakteristische Röntgenspektrum den Untergrund und durch zeilenmäßiges Abtasten liefert die Methode Aussagen über die Elemente in den Farbkomponenten und damit den Farben. Interessante Aufschlüsse hat diese Methode beim Bild von Seurat "Ein Sonntag Nachmittag auf der Insel" gebracht. Dieses Werk, ein wichtiges des Pointillismus wurde 2-mal übermalt, zuletzt mit Spektralfarben und auch hier zeigt eine digitale Verjüngungskur erst wie dieses Bild ausgesehen hat mit einem noch nicht zerfallenen Zinkgelb.
Diese Erkenntnisse lassen sich in vielfältiger Form in der Schule umsetzen. Ob es sich beispielsweise um die Herstellung des Pigmentes Berliner Blau handelt und den damit verbundenen Hinweis auf eine Fälscherwerkstatt bei der Kreuzabnahme von Rubens oder den Zusammenhang von Kunst- und Chemiegeschichte.
Ein interessanter Vortrag, verbunden mit einem außergewöhnlichen Anstoß für einen Seminarkurs?
Christine Weber
Donnerstag, 5. Oktober 2017, 13.00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad
Dr. Juraj Lipscher
Chemie und Kunst
Welche Geheimnisse verbergen sich unter der Oberfläche eines Gemäldes? Wie kam
es dazu, dass drei verschiedene Künstler an einem berühmten Meisterwerk aus der
Renaissance beteiligt waren? Welche chemischen Vorgänge haben das brillante Gelb
in einem Gemälde von Georges Seurat braun werden lassen? Welches Gemälde ist
unter dem "Blauen Zimmer" von Pablo Picasso versteckt? Kann man ein Gemälde
einer digitalen Verjüngungskur unterziehen? Oft sind es die modernen naturwissenschaftlichen
Methoden, die bei der Beantwortung solcher Fragen von entscheidender
Bedeutung sind. Die klassischen spektroskopischen Methoden gehören genauso
dazu, wie auch die Verfahren der Neutronenradiografie, der Infrarot-Reflektografie
und der Multispektralanalyse. Die modernsten rechnerischen und bildgebenden Verfahren
(digitale Restaurierung) eröffnen neue Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung.
Der Vortrag soll Möglichkeiten aufzeigen, wie diese faszinierenden Zusammenhänge
im Chemieunterricht eingesetzt werden können. Die Verknüpfung der beiden Disziplinen
Kunst und Wissenschaft kann auf die Lernenden stark motivierend wirken.
Seit 1985 an der Kantonsschule
(Gymnasium)
Baden in der
Schweiz . Wissenschaftl.
Mitarbeiter am
MINT-Lernzentrum der
ETH Zürich (Entwicklung
von Unterrichtsmaterialien
und Lehrerfortbildung).
Ausgezeichnet
mit dem
Balmer-Preis der
Schweizerischen
Chemischen Gesellschaft
für innovativen
Chemieunterricht.