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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Prof. Dr. Günter Gauglitz

Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Universität Tübingen

Biomolekulare Wechselwirkung: Erkennen und Verstehen

Mittwoch, 13.04.2011, 11:00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

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Biomolekulare Wechselwirkung
Erkennen und Verstehen

Im Rahmen der 15. Stuttgarter Chemietage sprach Prof. Günter Gauglitz vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Tübingen über biomolekulare Wechselwirkung, die Entwicklung von Sensortechnologien und deren Anwendung.

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Prof. Gauglitz, Jahrgang 1944, studierte in Tübingen und Iowa, anschließend promovierte er am Institut für Physikalische Chemie in Tübingen mit einer Arbeit über Absorption und fluoreszenzspektroskopische Methoden für komplizierte Photoreaktionen. Nach der Habilitation lehrte er als Professor für Physikalische Chemie und seit 1987 als Professor für Analytische Chemie in Tübingen. Seit Jahren ist er Vorstandsmitglied der Gesellschaft Deutscher Chemiker und seit 2008 Vorsitzender der Fachgruppe "Analytische Chemie" in der GDCh. Seit 2006 ist er Koordinator des EU-Projekts CARE-MAN ( Health CARE by Biosensor Measurement And Networking). Er ist Inhaber zahlreicher Patente und verfasste über 300 Publikationen, u.a. Bücher über "Praktische Spektroskopie", "Grundlagen und Anwendungen in der Photokinetik", "Grundlagen von Photoresisten für Leiterplatten" sowie zahlreiche Artikel u.a. über Aktinometrie, photochemische und photophysikalische Grundlagen photochromer Systeme, Grundlagen der UV/Vis-Spektrometrie und optische Sensoren. Der Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe von Prof. Gauglitz liegt im Bereich der optischen Sensoren.

In seiner Begrüßung konnte Schulleiter Wolfgang Flad bekanntgeben, dass es in Zukunft eine Verbindung zwischen dem Institut Dr. Flad und der Arbeitsgruppe von Prof. Gauglitz in Tübingen geben wird. So gibt es bald für die Schülerinnen und Schüler am Institut Dr. Flad die Möglichkeit für Projektarbeiten auf dem Gebiet der mikrofluiden Analytik.

Prof. Gauglitz betonte am Beginn seines Vortrags, dass es ihm nicht nur um die Darstellung biochemischen Wechselwirkungen, sondern vor allem um die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Sensoren gehe. Wechselwirkungen verlaufen immer nach einem Schema. Es geht um ein Zentrum, das beeinflusst werden soll und einen Schad- oder Wirkstoff, der diesen Einfluss ausübt. Bekanntes Beispiel dafür sind die Antibiotika in der Medizin. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Substanzen sind also alltäglich. Allerdings muss es nun darum gehen, dass sie speziell und gezielt ablaufen, damit sie zum Erkennen, dem Ziel der Analytik, führen.

Im Blick auf die molekulare Wechselwirkung ergeben sich eine Reihe von Fragen, z.B. weshalb Stoffe wechselwirken. Wechselwirkungen werden dabei genauer bestimmt als Anziehungs- oder Abstoßungskräfte (z.B. Gravitationskräfte, Ladungen, Ionen, Dipole). Entscheidend ist, ob solche Kräfte zum Erkennen genutzt werden können und ob sie selektive Eigenschaften aufweisen. Die Wechselwirkung ist die Voraussetzung für Reaktion und Erkennen. Die praktische Anwendung zeigt sich in der chemischen Reaktion, der Katalyse und bei den Sensoren. Auch bei der Arbeit mit chemischen und Biosensoren ist das Ziel das Erkennen.

Die Sensortechnologie sieht Gauglitz als eine Ergänzung zu den Verfahren der Klassischen Analytik (z.B. UV/Vis-, IR-, Mikrowellen-, NMR-Spektroskopie, Massenspektroskopie, Raman-Geräte), die physikalisch-chemische Prinzipien zur Detektion und Identifikation nutzt. Die Analytik mit Hilfe von Sensoren bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber den klassischen Analyseverfahren. In Ergänzung zu den klassischen Methoden werden insbesondere in der Bioanalytik molekulare Wechselwirkungen genutzt. Dadurch erreicht man die gewünschte Selektivität des Erkennens. Sensoren als Analysemittel sind deshalb besonders attraktiv, weil sie einen deutlichen Zeitgewinn bewirken, was vor allem in der Medizin wichtig ist, wo bisher die Arbeit mit Zentrallabors keine zeitnahe Diagnostik ermöglichte. Aber auch in der Prozesskontrolle in der chemischen Produktion oder bei der Bestimmung von Nachweisgrenzen für Schadstoffe sind sie bedeutsam, z.B. beim Nachweis hormonaktiver Stoffe in Wasser, deren Konzentration noch unterhalb des Nanogrammbereichs liegt. Es gibt physikalische (Temperatursensor, Drucksensor, Lichtschranke) und chemische bzw. biochemische Sensoren (immunsensitive Elektroden, Optode). Brandmelder oder Lambdasonden in Katalysatoren sind weitere praktische Beispiele für den Einsatz von Sensoren. Durch den Einsatz von Elektroden gehe man über den physikalischen Bereich hinaus. Der Chemiker ist nämlich in der Lage, eine Substanz zu erzeugen, den Rezeptor, die den Wechselwirkungsprozess steuert. So gelingt es, durch den Transducer, d.h. den Messwertaufnehmer, mit Hilfe des Rezeptors nur den interessierenden Analyten zu bekommen, während der unspezifische Analyt vernachlässigt werden kann. Der Brandmelder ist ein Beispiel für den physikalischen Sensor, der nur die Streuung misst, die Lambdasonde arbeitet bereits mit Chemosensoren.

Bei den Chemosensoren sind insbesondere die Farbindikatoren in Polymeren und die funktionalisierten Polymere zukunftsweisend. Dabei sind allerdings bestimmte Anforderungen an das Polymer zu beachten. Es muss lichtstabil, chemisch inert, transparent, homogen sein und eine reversible Sorption aufweisen. Ganz entscheidend ist hier auch wieder der Aspekt der Selektivität- Es gibt eine Reihe von Beispielen, wo Erkennen durch stark selektive Wechselwirkung möglich wird. Zum Beispiel basieren viele Signaltransductionen in Lebewesen auf biomolekularen Reaktionen, bei denen supramolekulare Strukturen der Rezeptoren selektiv mit niedermolekularen Substanzen, den Liganden, reagieren. Diese meist reversiblen Reaktionen beruhen auf einer schwachen chemischen Wechselwirkung des Rezeptors mit dem strukturell passiven Liganden. Diese Interaktionen resultieren aus Van-der-Waals Kräften, ionischen und hydrophoben Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen.

Wichtig ist die Beachtung der unterschiedlichen Eigenschaften sensitiver Schichten. Polymere und Supramoleküle weisen hohe Stabilität und Reversibilität auf, während molekular geprägte Polymere (MIP’s) und biologische Rezeptorschichten hohe Sensitivität und Selektivität aufweisen.

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Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags von Prof. Gauglitz lag auf der Darstellung des Verfahrens der optischen Detektion. Absorption ist bei der Arbeit mit Biosensoren nicht einsetzbar. Die optischen Methoden arbeiten hier mit fluoreszenzmarkierten Reagenzien oder mit Detektion in Reflexion über Interferenz.

Die Anwendungsmöglichkeiten für die Sensortechnik sind zahlreich. Gauglitz zeigte die Vorteile der Methode am Beispiel der Prozesskontrolle in der chemischen Produktion (Kalibrierfunktion von Toluol) und der Fermentationskontrolle in der Biotechnologie. Auch die Bestimmung von Schadstoffen in Wasser oder Milch kann schneller und selektiver erfolgen als in der klassischen Analytik. Das ist besonders hilfreich in der patientennahen Diagnostik. Beispielsweise kann bei Vancomycin (einem Glycopeptid-Antibiotikum) durch 2 Aminosäuren sehr schnell gezeigt werden, wie die Blockade des Aufbaus der Bakterienzellwand durch spezifische Wechselwirkung mit D-Alanin-D-Alanin erfolgt.

Bei der Schadstoffanalyse zeigt die Arbeit mit Sensoren auch gute und vor allem schnelle Resultate. Gezeigt wurde es am Beispiel der Analyse von hormonaktiven Stoffen in Wasser, wo die Analyse mit einem Immunsensor gleich verlässliche Resultate aufweist, wie die herkömmlichen analytischen Verfahren. Dasselbe zeigte sich bei der Analyse des Progesterongehalts in Milch. Auch der Nachweis von Antikörpern ist eine interessante Möglichkeit für den Einsatz von Sensoren. Antikörper werden bei der Immunabwehr des Körpers gebildet. Es handelt sich dabei um Eiweißmoleküle, die mit körperfremden und gegebenenfalls körpereigenen Substanzen, den so genannten Antigenen, wechselwirken.

Außerordentlich attraktiv ist die Arbeit mit den Biosensoren in der patientennahen Diagnostik in der Medizin. Der Nachweis von CRP als Entzündungsparameter lässt sich sehr differenziert durchführen, so dass schnell klar wird, ob der Patient unter einer viralen oder bakteriellen Infektion leidet. Ergänzt wird diese Diagnostik durch den Nachweis von Neopterin als spezifischem Parameter. Auch ein direkter Nachweis von Grippeviren ist in der Arztpraxis aus einem Abstrich mit Hilfe eines Biopolymers schnell möglich. Die Handhabung ist hier sehr einfach, weil es sich um große Moleküle handelt und die Proben deshalb nicht angereichert werden müssen.

Die Zukunft gehört in vielen Bereichen der Analyse mit Hilfe von Biosensoren. Ihr Vorteil ist die Schnelligkeit, mit der Analysen möglich werden, ohne dass darunter die Genauigkeit leidet. Sie werden außerdem weniger kosten als die herkömmlichen Verfahren.


S. Kümmerle

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