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Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Grätzel
Institut für Photonik und Grenzflächen, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne
Solarzellen nach Pflanzenart
Freitag, 16.09.2011, 15 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal
Solarzellen nach Pflanzenart "Es ist erstaunlich, wie weit man als Chemiker kommen kann, wenn man kreativ und rationell denkt." Professor Grätzel ist ordentlicher Professor an der ETH in Lausanne. Er leitet dort das Laboratorium für Photonik und Grenzflächen. Er ist ein Pionier der Forschung im Bereich Energie und Elektronentransfer-Reaktionen in mesoskopischen Materialien und deren Anwendungen in Solarenergie-Umwandlungssystemen, in optoelektronischen Bauelementen und Lithium-Ionen-Batterien. Die Funktionsweise der Grätzel-Zelle beruht auf einem neuartigen Verfahren, das im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren zur Absorption von Licht kein Halbleitermaterial, sondern organische Farbstoffe verwendet. Professor Grätzel ging in seinem Vortrag auf die bekannten Probleme der zukünftigen Energieversorgung ein. Eine Möglichkeit, die zu Ende gehenden fossilen Brennstoffe zu ersetzen, ist die Nutzung der Solarenergie durch Photovoltaik. Eine notwendige Bedingung dafür ist allerdings, dass diese Nutzung zu einem wettbewerbsfähigen Preis und unter ökonomischen Bedingungen erfolgen kann. Die herkömmliche Technik mit Silizium-basierten Solarzellen stößt an Grenzen. Bisher werden durch Photovoltaik bei einem weltweiten Bedarf von 14 Terrawatt bei optimalen Bedingungen, d.h. in der Wüste, 15 Gigawatt als Spitzenleistung erzeugt. Der Durchschnittswert beträgt nur 4 Gigawatt. Damit deckt die Photovoltaik nur 0,04 % des Energiebedarfs. Die Prognosen gehen von einem weltweiten Energiebedarf von 28 Terrawatt in 40 Jahren aus. Berücksichtigt man diese Ansprüche an das Wachstum, so ist die Energiebilanz der Silizium-basierten Photovoltaik sogar negativ. Man benötigt sehr viel Energie, um Silizium aus Sand herzustellen, weil Sand ein sehr stabiles Material ist. Es dauert im Schnitt 4-5 Jahre, bis allein diese Umwandlungsenergie mit Hilfe von Solarzellen zurück gewonnen werden kann. Ein weiteres Problem ergibt sich bei der herkömmlichen Technik. Bei der Silizium-Halbleiter-Zelle übernimmt das Siliziummaterial die Absorption des Lichts, gibt aber auch die negativen und positiven Ladungsträger weiter. Man braucht ein elektrisches Feld, um diese Ladungen zu trennen. Das Silizium erfüllt also mindestens drei Aufgaben gleichzeitig, was nur bei sehr reinem Ausgangsmaterial funktioniert, das in der Herstellung sehr teuer ist. Die Entwicklung der Farbstoff-Solarzelle ist soweit fortgeschritten, dass die industrielle Fertigung in großem Maßstab anlaufen kann. Ihre Energieausbeute durch Moleküle ist fast so groß wie die bei der Solarzelle mit Halbleitern. Der Unterschied wird noch geringer, wenn berücksichtigt wird, dass Farbstoffsolarzellen Strom auch aus diffusem Licht erzeugen. Auch durch die Auswahl des Farbstoffs lässt sich bestimmen, welches Licht am besten absorbiert wird. Dies kann die Effizienz deutlich erhöhen. Auch die Stabilität ist hervorragend. Die Farbstoff-Solarzellen haben bei Langzeitversuchen unter extremen Bedingungen nur einen Effizienzverlust von 5 %. Farbstoff-Solarzellen sind leicht herzustellen, haben deshalb niedrige Produktionskosten, sind transparent, können verschiedenfarbig sein, sind leicht und flexibel, können Licht von allen Seiten absorbieren und haben eine positive Energiebilanz. Ihr deutlicher Preisvorteil gegenüber der siliziumbasierten Solarzelle könnte zum wirtschaftlichen Durchbruch führen. So führt im "Streit der Fakultäten", um den Titel eines Aufsatzes von Immanuel Kant zu zitieren, die Problemlösungskompetenz der Chemie zum Vorteil der chemischen Lösung bei der Nutzung der Solarenergie, weil ihre Vorteile gegenüber der physikalischen Siliziumlösung deutlich sind. S. Kümmerle |
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