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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Europa: Perspektiven, Chancen und Probleme

Gastvortrag von Valerio Bonvini, Vertreter der Europäischen Kommission

5. Oktober 2007

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Im Rahmen der regelmäßigen Gastvorträge im Institut Dr. Flad thematisierte Valerio Bonvini, Vertreter der Europäischen Kommission, die vielfältigen Chancen und Risiken des zukünftigen Europa.

Zu Beginn seiner Ausführungen ging Herr Bonvini kurz auf die ursprünglichen Ziele der europäischen Einigung ein; sie haben bis heute nicht an Aktualität verloren: Die Friedenssicherung, die Lösung grenzüberschreitender Probleme wie Zuwanderung, Umweltschutz etc, die stärkere Intensivierung einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik sowie die Verständigung auf Mindeststandards in der Sozialpolitik sind besondere Herausforderungen im Zeitalter der Globalisierung.

Nicht "Für oder gegen Europa?" sei die zentrale Frage, sondern die nach der inhaltlichen Ausgestaltung, so die These des Referenten. Europa - quo vadis? In welche Richtung soll sich Europa entwickeln? Ist eine weitere Osterweiterung sinnvoll? Zwar laufen noch keine Beitrittsverhandlungen mit Weißrussland, der Ukraine und Moldawien, doch langfristig betrachtet wünschen diese Länder den Beitritt. Brisant ist auch der mögliche Beitritt der Türkei. Bereits seit 1985 besteht zwischen der EU und der Türkei eine Zollunion. Unabdingbar für eine Vollmitgliedschaft ist allerdings ein gemeinsamer Wertekanon. Die existierenden "Kopenhagener Kriterien" bilden die Richtschnur.

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Folgende Grundvorrausetzungen müssen vor einem Beitritt erfüllt sein:

  • stabile Demokratie (Rechtsstaat, Mehrparteiensystem, Einhaltung der Menschenrechte, Schutz von Minderheiten)

  • funktionierende Marktwirtschaft, die verschärftem Wettbewerb standhält

  • Bereitschaft zur Übernahme von Verpflichtungen, die sich aus der EU-Gesetzgebung ergeben

  • Einverständnis mit den Zielen der EU inklusive Akzeptanz der Wirtschafts- und Währungsunion

Falls die Türkei in der Lage ist, diese Forderungen zu erfüllen, wäre ein Beitritt in zehn bis fünfzehn Jahren denkbar. Dass politischer Verhandlungsdruck durchaus zu Erfolgen führen kann, zeigte sich an den Beispielen Spanien, Portugal und Griechenland. Ehemals diktatorisch regierte Nationen haben sich innerhalb der EU zu stabilen Demokratien entwickelt.

größer Den Chancen einer Erweiterung stehen allerdings auch etliche Risiken gegenüber. Schon heute spricht man von einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die unterschiedliche Umsetzung von "Schengen", die unterschiedlichen Währungen sowie große Unterschiede im Bildungswesen seien stellvertretend für viele andere Bereiche genannt. Von einer einheitlichen Politik aller 27 Mitgliedsstaaten sind wir noch weit entfernt.

Konkret zeigt sich dies auch bei den Bezügen der 732 EU-Abgeordneten. Maßstab für die Bezahlung sind die Diäten der Nationalparlamente. Ein Abgeordneter aus Italien verdient mit 12.000 € am meisten. Sein Kollege aus Litauen muss im teuren Brüssel mit 350 € auskommen.

Neben diesen krassen Unterschieden gibt es noch weitere Problemfelder:
Wie steht es mit den Kompetenzen des EU-Parlamentes?
Wie geht es mit der EU-Verfassung weiter?
Was sollte auf EU-Ebene entschieden werden, und was sollte den nationalen Parlamenten vorbehalten bleiben?

Besonders an der letzten Frage entzündete sich eine lebhafte Diskussion zwischen den Schülern und dem Referenten. Einige Schüler äußerten ihren Unmut darüber, dass sich "Brüssel" zu sehr in nationale Kompetenzen einmische und es eindeutig Gewinner und Verlierer der Erweiterung gäbe.

Valerio Bonvini setzte sich sehr engagiert mit den Einwänden und den brisanten Fragen der Schüler auseinander und lobte sie abschließend: Ein kritisches Hinterfragen der gegenwärtigen EU-Politik ist allemal konstruktiver als Gleichgültigkeit bzw. Desinteresse.

Angela Schmitt-Bucher