Traigo un cantar - Ich schenke dir ein Lied
Konzert mit Sergio Vesely
Anlässlich des internationalen Tages gegen Rassismus 2012 gastierte Sergio Vesely bereits zum zweiten Mal am Institut Dr. Flad.
In seinen selbst komponierten Liedern erzählt der gebürtige Chilene von seiner Vergangenheit. Mit seiner Gitarre, lateinamerikanischen Rhythmen, seinem Gesang und vielen sowohl traurigen als auch schönen Erinnerungen begeisterte und bewegte der Musiker seine Zuhörer.
Sergio Vesely liegt die Musik im Blut! Bereits mit acht Jahren begann er Musik zu machen, und bis heute ist sie ein wichtiger Teil seines Lebens. Mit dem Liederschreiben begann der Künstler in der schwersten und gleichzeitig prägendsten Zeit seines Lebens. Als 18jähriger kam er unter der Militärdiktatur seines Landes in Gefangenschaft und überlebte zwei Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern.
Das Liederschreiben war seine Art mit seiner Traurigkeit umzugehen und half ihm, wie er heute weiß, die Haft und die Folter zu überstehen. Alle seine Texte, die er während dieser Zeit verfasst hat, sind, dank seiner findigen Idee, die Texte in Wäschestücke eingenäht aus dem Gefängnis zu schmuggeln und mit Hilfe seines ordnungsliebenden Vaters erhalten geblieben. Als Sergio Vesely all diese Texte nach seiner Entlassung mit 25 Einschreiben ins Flüchtlingslager nach Ostfildern geschickt bekam, konnte er dies vor Freude kaum fassen. Die Lieder aus der Gefangenschaft singt er heute noch gerne und trug sie auch bei seinem Konzert den Schülerinnen und Schülern des Instituts Dr. Flad vor. Wer nun aber nur düstere, traurige und melancholische Lieder eines Gefangenen erwartete, der dürfte wohl verblüfft gewesen sein, wie leicht und beschwingt sie mitunter waren. Am Beispiel des Liedes " Der schwarze König" erklärte der Sänger, Texter und Komponist seinen Zuhörern auch, wieso das so ist: Vesely musste sehr genau auf die Botschaft seiner Lieder achten. So tarnte er gekonnt politische Inhalte, Kritik an der Militärdiktatur und Unmut über die Behandlung im Gefängnis in einem Text, der sich oberflächlich betrachtet wie ein Märchen anhört - und auch die Melodie musste dazu natürlich passen. Damit wurde beim Kommandanten kein Aufsehen erregt - die Häftlinge aber verstanden sehr gut und konnten so unter dem Deckmantel der Musik ihrem Ärger Luft machen!
Als Vesely nach zwei Jahren endlich aus der Haft entlassen werden sollte, wurde er immer noch als sehr gefährlich, also staatsfeindlich eingestuft. Deshalb war er in seinem Heimatland Chile nicht mehr erwünscht und wurde nach Deutschland ins Exil verbannt. Wie Vesely mit diesem Schicksal umgeht ist wirklich bemerkenswert: er sagt, er habe Glück gehabt. Als Südamerikaner wurde er freundlich aufgenommen und hat in Esslingen eine neue Heimat gefunden. Grund genug für den Liedermacher, Esslingen zu Ehren ein Lied zu schreiben und es seinen interessierten Zuhörern, denen Esslingen wohl bekannt ist, vorzutragen. Ein sehr lebhaftes und fröhliches Lied, das offen gesagt etwas zum Schmunzeln verleitet, wenn plötzlich ein "Esslingen" in mitten von spanischen Vokabeln erklingt und von südamerikanischen Gitarrenklängen begleitet wird!
Auch seine Geburtsstadt Santiago de Chile besang der Künstler in seinem Konzert und natürlich durfte auch ein Tango in seinem lateinamerikanischen Repertoire nicht fehlen. Auch hier zauberte Vesely seinen Zuhörern wieder ein Lächeln aufs Gesicht, als er bei diesem "Tango im Glas" den Eindruck vermittelte, als würde der Titel gerade über ein Grammophon abgespielt. Seine Vielseitigkeit stellte das sympathische Multitalent an diesem Nachmittag nicht zuletzt noch mit einem in deutscher Sprache geschriebenen Kinderlied über Ketchup unter Beweis, in dem er ungeahnte Einsatzmöglichkeiten dieser Tomatensoße offenbarte ...
Mit seinem gesamten Programm und seinen zahlreichen Erzählungen machte Sergio Vesely sehr deutlich, dass er in seiner Vergangenheit viele leidvolle Erfahrungen machen musste, vor allem in seinem Heimatland. Letztendlich hat er aber dennoch Glück gehabt, es geht ihm heute gut und er hat in der Fremde eine neue Heimat gefunden. Dass aber leider nicht alle Flüchtlinge, Migranten oder politisch Verfolgte dieses Glück haben und eben oft auch nicht gerade herzlich empfangen werden, daran erinnerte der Künstler an diesem Tag nochmals ausdrücklich.
Anne-Marie Honold
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