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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Montag, 16.04.2012, 13:30 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal     » Ihr Weg zu uns

Der ehrbare Kaufmann - Modell einer modernen Wirtschaftsethik?

Prof. Dr. Hans Nutzinger

Emeritus der Universität Kassel

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Der ehrbare Kaufmann - Modell einer modernen Wirtschaftsethik?

Am 16. April 2012 referierte Prof. Dr. Hans Nutzinger - nachdem sein Vortrag bei den 15. Stuttgarter Chemietagen im vergangenen Jahr ausfallen musste - über die Wirtschaftsethik der heutigen Zeit.

größer Schon allein der Begriff des ehrbaren Kaufmannes, der in verschiedenen Kulturen unabhängig voneinander entstanden ist, lässt Spielraum für Interpretationen. So erklärte Prof. Nutzinger, dass der ehrbare, also anständige Kaufmann durchaus doppeldeutig zu verstehen ist. Zum einen versteht man darunter eine bestimmte sittliche Haltung, die einen anständigen Kaufmann zu einem gesuchten und gewünschten Geschäftspartner macht. Zum anderen möchte der Kaufmann aber auch einen anständigen, also möglichst guten Gewinn bei seinen Geschäften erzielen. Die Handlung erfolgt somit aus dem Antrieb, sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Diese ergebnisbezogene (konsequentialistische) Ethik, die auch von den Wirtschaftswissenschaftlern vertreten wird, beschreibt den homo oeconomicus. Allein der Wettbewerb ist dann, so Nutzinger, dafür verantwortlich, dieses Vorteilsstreben der einzelnen Parteien in sinnvolle Bahnen des Zusammenspiels zu lenken.

Der ehrbare Kaufmann ist trotz seiner langen Geschichte, die in Deutschland übrigens mit der Hanse im Mittelalter begann, kein Auslaufmodell und wird immer wieder eingefordert. Etwas versteckt finden wir ihn zum Beispiel bei online-Auktionen wieder. Hier muss man sich auf die Aufrichtigkeit seines Geschäftspartners verlassen. Ob dies ein ehrbarer Kaufmann ist oder nicht, lässt sich z.B. aus Bewertungen von anderen Kunden in Erfahrung bringen. Der Kaufmann wird auf diese Weise mehr oder weniger zu einem ethischen, also moralischen, Verhalten und Handeln gedrängt, um seine Geschäfte nicht zu gefährden.

Laut Nutzinger reicht aber dies in der heutigen Gesellschaft nicht mehr aus. Besonders in schwer kontrollierbaren Bereichen, wozu beispielsweise auch die Arbeitsbedingungen (vor allem im Hinblick auf Gesundheitsgefährdung und Kinderarbeit) zählen, sind verbindliche ethische Mindeststandards unabdingbar. Neben diesen und dem ehrbaren Kaufmann sind wir aber auch auf Menschen angewiesen, die nicht aus Zwang, sondern aus Überzeugung ethisch richtig handeln.

Anne-Marie Honold

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Der traditionelle Adressat der Ethik seit der Antike war das Individuum, für das auf philosophischer und/oder theologischer Grundlage Grundsätze eines richtigen Verhaltens abgeleitet wurden, damit es zu einem gelingenden Leben in der Gesellschaft beitragen kann. Im wirtschaftlichen Bereich entwickelt sich so seit dem späten Mittelalter das Leitbild des "ehrbaren Kaufmanns". Spätestens seit dem 18. Jahrhundert gerät dagegen die gesellschaftliche Ordnung insgesamt in den Blick. Nun erscheint die Wirtschaftsordnung als der "systematische Ort der Moral" (Karl Homann). Es zeigt sich indessen, dass Ordnungsethik nur eine notwendige Bedingung ist (sie schafft Raum für den "ehrbaren Kaufmann"), aber dass sie nicht ausreicht (sie bedarf des "ehrbaren Kaufmanns").

 
Prof. Dr. Hans Nutzinger

Prof. Dr. Hans Nutzinger hat als Wirtschaftswissenschaftler an verschiedenen Universitäten gearbeitet. 1978 - 2010 Professur für Theorie öffentlicher und privater Unternehmen am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel. Themen: Ethik, Gestaltung der industriellen Beziehungen, nachhaltiges Wirtschaften, Geschichte des ökonomischen Denkens.