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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe

Prof. Dr. Ilka Parchmann, Dr. Stefan Schwarzer

Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel

Mittwoch, 2. Oktober 2013, 13.00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe

Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer:
Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe

Superabsorber in Windeln, schaltbare Substanzen in verdunkelbaren Scheiben, Beschichtungen selbstreinigender Oberflächen - Funktionsmaterialien spielen heute eine große Rolle in unserem Alltag. Mit der Bedeutung dieser Funktionsmaterialien beschäftigten sich Frau Prof. Dr. Ilka Parchmann und ihr Assistent Dr. Stefan Schwarzer in ihrem Vortrag im Rahmen der 16. Stuttgarter Chemietage. Frau Prof. Parchmann ist nach Lehramtsstudium, Promotion und Habilitation seit 2009 Direktorin der Abteilung für Didaktik der Chemie am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik und Professorin für Chemiedidaktik an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Neben zahlreichen anderen wichtigen Funktion ist sie auch Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik. Als Preisträgerin des Manfred und Wolfgang Flad-Preises war sie jetzt nicht zum ersten Mal Gastrednerin bei den Stuttgarter Chemietagen.

Am Beginn ihres Vortrags wies Prof. Parchmann darauf hin, dass Funktionsmaterialien keine neue Sache sind. Mit einem Bild der Mumie von Ötzi zeigte sie, dass bereits bei diesem Funktionsmaterialien im Einsatz waren, z.B. Werkzeuge oder Holz.
Allerdings musste man damals diese Materialien meist so nehmen, wie sie waren, man konnte sie nicht verändern, d.h. funktionalisieren. Die Funktionalisierung begann bei Ötzi mit der Herstellung von Werkzeugen. Heute beherrschen die Funktionsmaterialien ein weites Feld, z.B. Kunststoffe in der Autoherstellung, in Bekleidung, selbst in Zähnen finden sie als Prothesen Anwendung. Damit ist die Beschäftigung mit diesen Funktionsmaterialien ein viel versprechender Ansatz für die chemische Untersuchung von Alltagsphänomenen, der so genannten Chemie im Kontext. Dadurch kann dann systematisch chemisches Wissen aufgebaut werden. Damit ist auch klar, dass so ein Basiskonzept für den Chemieunterricht gewonnen werden kann, wo es um den Zusammenhang von Eigenschaften und chemischen Strukturen geht.

Zu Beginn ihres Vortrags demonstrierte Frau Parchmann das Problem am Beispiel der Babywindeln. Die Windel kann ja ein Vielfaches ihres Eigengewichts an polaren Flüssigkeiten aufsaugen. Bei der Aufnahme der Flüssigkeit quillt der Superabsorber auf und bildet ein Hydrogel. Die Summe aus dem Volumen der Flüssigkeit und dem Volumen des trockenen Superabsorbers bleibt dabei gleich. Für die Flüssigkeitsaufnahme ist ein Polymer verantwortlich. Die Oberfläche dieser Superabsorberpartikel ist, mikroskopisch betrachtet, zerklüftet und porös. Durch den Kapillareffekt kommt es zur Flüssigkeitsanziehung.

Das Produkt kommt als weißes, grobkörniges Pulver mit Partikelgröße von 0,1-1,0 mm zum Einsatz. Es findet größtenteils in Babywindeln, Produkten der Inkontinenzversorgung, in Verbandmaterial, als Schlafunterlage in sogenannten Gelbetten, als gelbildende Löschmittel in der Brandbekämpfung, oder auch als Wasserspeicher für Schnittblumen, wie Professor Parchmann am Beispiel einer Kapuzinerkresse zeigen konnte, die dank eines Superabsorbers den Transport von Kiel nach Stuttgart unbeschadet überstanden hat.

Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe

Dr. Schwarzer präsentierte die Forschungsschwerpunkte im Sonderforschungsbereich an der Uni Kiel.

Ein Beispiel für die komplexen Anforderungen an Funktionsmaterialien ist z.B. die Glasscheibe am Rücklicht eines Autos, die sehr viele unterschiedliche Eigenschaften aufweisen muss. Der Blickwinkel des Forschers richtet sich dabei nicht auf das einzelne Molekül, sondern auf die Gesamtstruktur. Bekleidung ist ein weiteres, weithin bekannte Beispiel für Funktionsmaterialien, die einerseits regenundurchlässig und andererseits schweißdurchlässig sein soll.

Einen Selbstreinigungseffekt kann man bereits in der Natur beobachten, etwa bei der Lotusblume oder dem Frauenmantel. Entscheidend sind hier die Oberflächeneigenschaften, damit das Regenwasser die Schmutzpartikel mitnimmt. Es gibt hier natürlich substantielle Unterschiede in der Benetzbarkeit der Materialien. Während Holz nur eine Benetzbarkeit von 15 % aufweist, sind es bei Glas bis zu 90%. Nanotextil ist dagegen deutlich hydrophob.

Eine wichtige Rolle bei den Funktionsmaterialien spielen die so genannten Schalter.
Sie führen zu einer Änderung der Struktur, damit z.B. zu einer Farbänderung.
Die Auslösung kann durch Licht, Bestrahlung, elektrischen Strom oder Wärme erfolgen. So kann bei dem bekannten Ampelmännchen der grüne Kopf rot oder andersfarbig werden.

Weitere Beispiele waren Fensterscheiben, die je nach Schalter sich von hell zu dunkel und umgekehrt verändern. Ein drittes Beispiel war die Arbeit mit einem Spiropyram, wo man durch Bestrahlung eine Blaufärbung erzielen kann.
Die zahlreichen Beispiele beeindruckten die Zuhörer, weil die Beispiele auch für den Chemieunterricht hilfreich sind, so etwa, wenn die Schichtdicke von Seifenblasen untersucht wurde. Der Chemiker findet hier ein anschauliches Beispiel für Hydrophilie und -phobie.

Mit einer Einladung für die Schüler des Instituts in das Labor nach Kiel endete der informative Vortrag.

Dr. Siegfried Kümmerle.

Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe Prof. Dr. Ilka Parchmann und Dr. Stefan Schwarzer: Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe

 
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Funktionsmaterialien unter der chemischen Lupe. Foto Prof. Dr. Ilka Parchmann, Dr. Stefan Schwarzer

Superabsorber in Windeln, schaltbare Substanzen in verdunkelbaren Scheiben oder Strohhalmen, Beschichtungen selbstreinigender Oberflächen - Funktionsmaterialien haben breit Einzug in unseren Alltag gehalten. Welche Potenziale bieten diese Materialien für den Chemieunterricht? Ganz sicher faszinierende Anschauungen und interessante weiterführende Fragen, wie die im Vortrag demonstrierten Phänomene zeigen. Aus diesen heraus lassen sich aber auch Verbindungen zu einer Vertiefung und Anwendung von Basiskonzepten herstellen, insbesondere zum Struktur-Eigenschafts-Konzept. Schließlich können anhand von Funktionsmaterialien Einblicke in die aktuelle Forschung der Natur- und Materialwissenschaften gegeben werden, für die exemplarisch verschiedene Medien wie wissenschaftliche Jugendzeitschriften und Podcasts vorgestellt werden.

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Prof. Dr. Ilka Parchmann

Prof. Dr. Ilka Parchmann

Direktorin der Abteilung Didaktik der Chemie am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Professorin für Chemiedidaktik an der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel. Chair of the EuCheMS Division of Chemical Education, Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik.

Dr. Stefan Schwarzer

Dr. Stefan Schwarzer

Studium der Chemie, Diplom und Promotion an der Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg. Seit 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz- Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel (IPN). "Schülerlabor Klick!", "Internationale ChemieOlympiade" (Das Virtuelle Online Labor) u. a. Projekte.

 

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