Lebendige Vielfalt: Kunst und Pigmente
"Die Sprache der Chemie" ist das Experiment."
Dass dem tatsächlich so ist, erfuhren zwölf Schülerinnen und Schüler nicht nur im regulären Unterricht, sondern auch im Rahmen ihrer Projektarbeit "Lebendige Vielfalt - Kunst und Pigmente".
Die Kombination von naturwissenschaftlichem Arbeiten und kreativem Tun in Form von Malerei erwies sich für die Teilnehmer als sehr reizvoll, zumal jeder von ihnen sein fertiges Werk im Rahmen einer kleinen Vernissage im Bürgerzentrum West präsentieren durfte.
Ehe diese Ausstellung über die Bühne gehen konnte, musste viel mit Pigmenten, Binde- und Lösungsmitteln experimentiert werden.
Manch ein Versuch war von Erfolg gekrönt, manch anderer entpuppte sich als Fehlschlag: Versuch und Irrtum! Am Ende gab es nur Gewinner. Die auf Leinwand aufgebrachte "Chemie" ist dafür der beste Beweis.
Die Gruppe der Projektteilnehmer wurde entsprechend der Aufgabenstellung interdisziplinär betreut. Professor Peter Menzel, langjähriger Begleiter zahlreicher Projektarbeiten, war für die Chemie zuständig; Frau Karsch-Chaleb unterstützte die Schüler in künstlerischer Hinsicht. Ihr Atelier liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Institut. Das erwies sich als echter Glücksfall. Die im Institutslabor hergestellten Substanzen kamen in der "Malerwerkstatt" der Künstlerin drei Monate lang zum Einsatz. Vieles wurde ausprobiert - am Ende die Belohnung in Gestalt eines selbst angefertigten Gemäldes.
Bei der Präsentation stellten die Schüler die Farben und die Binde- oder Lösungsmittel vor, mit denen sie sich sowohl im Labor als auch im Atelier intensiv beschäftigt hatten. Die Arbeit im Labor stellte die Teilnehmer vor echte Herausforderungen: Organische oder anorganische Farbmittel? Natürlich oder künstlich? Einfach zu besorgen oder schwer erhältlich bzw. gar nicht mehr auf dem Markt? Gesundheitsschädlich oder unbedenklich? Der nächste Schritt war die Umsetzung in Malerei, wobei sich jeder Schüler für eine "Leitfarbe" entschied.
Bei der Vorstellung ihrer Arbeiten gingen etliche auch auf die Farbpsychologie näher ein. Rot steht für Energie, Aktivität, Aggression. Es ist bzw. war die Farbe der Mächtigen, aber auch der Arbeiterbewegung. Rot setzt Signale - siehe rote Ampel etc. Chemisch betrachtet verbirgt sich hinter Zinnoberrot Quecksilbersulfid. Im alten China wurde es eingesetzt, um damit Quecksilbervergiftungen zu kurieren!
Die Golden Gate Bridge in San Francisco fasziniert nicht nur wegen ihrer Architektur, sondern auch wegen ihrer Farbgebung. Dafür verantwortlich ist der Eisenrostschutz, bekannt als Mennige.
Gelb ist mindestens so vielfältig und interessant. Kulturgeschichtlich betrachtet ist es ähnlich ambivalent wie Rot. In China symbolisiert Gelb in erster Linie Wohlstand, anderswo hingegen steht diese Farbe für Neid, Verrat, Ausgrenzung. Chemisch gesehen hat man es bei dieser Farbe mit Cadmiumsulfid zu tun. Vertreter von "Schwarz-Weiß" beschäftigten sich mit Metallkarbonat. Zinkoxid wurde hergestellt, Pyrolyse betrieben, Leuchtsteine analysiert.
Was ist das Besondere an Berliner Blau?
Was verbirgt sich hinter Schweinfurter Grün? Vielleicht die Ursache für Napoleons Tod? Arsen lässt grüßen.
Lassen sich aus Pflanzen, z. B. Hagebutte, brauchbare Pigmente für die Malerei herstellen? Dass dies nicht ganz einfach ist wie zunächst gedacht - auch dies eine Erfahrung, die gemacht wurde.
Welchen Anforderungen muss die Schutzschicht auf einem Gemälde genügen? Wie sollte der Firnis beschaffen sein?
Ausprobiert wurden Leinöl, Kasein, Harze, Eitempera. Eine Schülerin hielt die gewonnenen Ergebnisse akribisch in einem Versuchsheft fest. Die eine Substanz erwies sich als nicht haltbar genug, die andere war nicht wetterbeständig, ungeeignete Bindemittel hatten "Schmierereien" zur Folge, selbst hergestellte Pigmente "zerbröselten". Manches war tatsächlich "für die Katz", wie ein Schüler feststellte.
Überhaupt erlebten die Schüler das Projekt "Kunst und Pigmente" ganz unterschiedlich. Etliche gingen begeistert an die Malerei heran, je mehr Substanzen ausprobiert werden konnten desto besser. Optimierung war das Ziel. Unterschiedlichste Farbkombinationen wurden ausprobiert, Bindemittel für gut oder schlecht befunden, bereits Gemaltes übermalt, da das eigene Werk nicht den künstlerischen Ansprüchen genügte.
Andere wiederum gaben unumwunden zu, sich weit mehr für die Chemie zu interessieren als für die Kunst. Alle aber waren sich am Ende einig: Es ist die Kombination von beidem, von Chemie und Malerei, die die Vielfalt ausmacht. Und die Sprache der Chemie, das Experiment, hilft dabei, hinter manch ein Geheimnis der Malerei zu kommen.
Diese Projektarbeit wird bei den Teilnehmern nachhaltig Spuren hinterlassen. Neben den positiven Erlebnissen in und mit der Gruppe bot die Verknüpfung von Kunst und Naturwissenschaft die Gelegenheit, hinter die Oberfläche von Bildern zu blicken. Ganz bestimmt wird beim Anschauen von Gemälden zukünftig nicht nur der Kunstgenuss eine Rolle spielen, sondern auch die Chemie, die Freude am Entdecken, weshalb Farbe, Firnis etc. eine Faszination auf den Betrachter ausüben.
Angela Schmitt-Bucher