Chemie Pur: Die Natur ist mein Labor
Ein freilandtaugliches Konzept für den naturwissenschaftlichen Unterricht
Lehrerfortbildung am Samstag, den 9. Juni 2018 im Institut Dr. Flad
Lehrerfortbildung am Samstag, den 9. Juni 2018 im Institut Dr. Flad
Häufig werden mit dem Begriff "Chemie" negative Assoziationen verbunden, wohingegen der Begriff "Natur" durchweg positiv belegt ist (Krischer, 2015). Während in den beliebten Schulfächern Sport oder Biologie Teile des Unterrichts im Freien stattfinden, spielt sich der zumeist unbeliebte Chemieunterricht traditionell im Fachraum ab. Warum wagen wir nicht auch im Chemieunterricht den Schritt nach draußen - wo gerade dort die Naturwissenschaft ihren Ursprung hat?
Die ganztägige Lehrerfortbildung bot die Möglichkeit das Unterrichtskonzept "Chemie Pur - Unterrichten in der Natur" kennen zu lernen und selbst zu erproben. Im Rahmen eines Impulsvortrags wurden zunächst die Ziele und Maßnahmen von Chemie Pur veranschaulicht. Die Kernidee des Unterrichtskonzepts Chemie Pur besteht darin, ausgewählte Chemiestunden in die Natur zu verlegen. Im Freiland werden so mit direkt vor Ort gewonnenen Stoffen Umweltprozesse experimentell erarbeitet. Ziel ist es, die von Schülerinnen und Schülern häufig als abstrakt und komplex empfundenen Inhalte des Chemieunterrichts mit alltäglichen und naturnahen Phänomenen in Einklang zu bringen. Die Chemie Pur Lerneinheiten richten sich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II und orientieren sich an folgenden Kriterien (Engl & Risch, 2016a): (1) Experimente außerhalb des Klassenzimmers ("Die Natur ist mein Labor"), (2) Reaktionen von Naturstoffen mit möglichst wenig Laborgeräten und -chemikalien, (3) Umweltprozesse, die am konkreten Anschauungsobjekt erklärt werden, (4) Inhaltliche Orientierung an den Basiskonzepten und (5) Einsatz digitaler Medien im Chemieunterricht.
Im anschließenden Workshop wurden Ausschnitte aus drei Chemie Pur Lerneinheiten mit folgenden Schwerpunkten durchgeführt:
Ätherischen Ölen auf der Spur (Engl, Schmelzer & Risch 2018)
Mit Materialien aus einem Baumarkt wurde eine freilandtaugliche Wasserdampfdestillationsapparatur konstruiert. Als Demonstrationsexperiment wurde aus Lavendelblüten ein ätherisches Öl extrahiert, dessen Eigenschaften in aufbauenden Versuchen untersucht werden können.
Bodenanalyse mit organischen Säuren (Engl & Risch 2014)
Calcium-, Eisen- und Carbonat-Ionen im Boden wurden mittels Trennungsgang durch pflanzliche Inhaltsstoffe nachgewiesen. Ausgangsmaterial für die Nachweisreaktionen waren Sauerampfer, Lorbeerkirsche, Mädesüß und Hagebutten.
Faszination Fluoreszenz - Sonnenschutz in der Natur (Engl & Risch, 2016b)
Anhand der photochemischen Cyanotypie wurden die allgemeinen Sonnenschutzmechanismen von Reflexion und Absorption der UV-Strahlung thematisiert. Als Vertiefung wurde am Beispiel der Rosskastanie das Prinzip der Fluoreszenz konkretisiert.
Zum Abschluss wurden Einblicke in die an das Projekt Chemie Pur gekoppelte fachdidaktische Entwicklungsforschung gegeben. Ziel dieser unterrichtsnahen Vorgehensweise ist es die oft beklagte Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen. Chemie Pur ist sowohl konzeptionell mit starkem Bezug zur Unterrichtspraxis, als auch empirisch grundlagenorientiert ausgerichtet. Hierbei wird der Forschungsfrage nachgegangen, wie sich das Unterrichtskonzept Chemie Pur auf das Fach- und Sachinteresse, sowie auf die Naturverbundenheit und Einstellung zu Chemie und Natur von Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II auswirkt. Die Ergebnisse einer Evaluationsstudie mit 191 Lernenden der Oberstufe wurden dabei zur Diskussion gestellt.
Literatur:
Engl, A., Schmelzer, A. & Risch, B. (2018). Chemie Pur - Unterrichten in der Natur: Ätherischen Ölen auf der Spur. In: CHEMKON 25/1 S. 7-15.
Engl, A. & Risch, B. (2016a). Chemie Pur: Farbenpracht im Freiland - Eine Lerneinheit zu Naturfarbstoffen. In: Praxis der Naturwissenschaften Chemie in der Schule 65/8 S. 45-49.
Engl, A. & Risch, B. (2016b). Natural Chemistry - Outdoors! In: Green Teacher 109/1 S. 39-42.
Engl, A. & Risch, B. (2014). Chemie Pur - Experimentieren im Freiland mit Naturstoffen. Eine interaktiv experimentelle Bodenrallye. In: Naturwissenschaften im Unterricht Chemie 144/6 S. 34-37.
Krischer, D. (2015). "…natürlich Chemie!" Chemieunterricht in naturnaher Umgebung und naturbezogenen Kontexten. Ein Unterrichtskonzept für die Sekundarstufen I und II. Siegen: Universität Siegen
Alexander Engl
"Chemie pur" ist ein innovatives Konzept für den Chemieunterricht. Die Kernidee besteht darin, Ausschnitte des Chemieunterrichts in die Natur zu verlegen. Im Freiland werden so mit direkt vor Ort gewonnenen Stoffen Umweltprozesse experimentell erarbeitet. Ziel ist es, die von Schülerinnen und Schülern als abstrakt und komplex empfundenen Inhalte des Chemieunterrichts mit alltäglichen und naturnahen Phänomenen in Einklang zu bringen.
Die Lehrkräfte sollen
Die Kursteilnehmer können Lehrer- und Schülerversuche zu den folgenden Themenbereichen an Stationen im Labor und in Teilen im Freiland selbst durchführen:
Versuchsunterlagen und eine Kurzfassung der Vorträge werden zu Beginn der Veranstaltung ausgehändigt.
Vortrag, praktische Übungen in Zweiergruppen.
Lehrkräfte des Fachs Chemie und Biologie an Haupt- und Realschulen, Gesamtschulen sowie in der Sekundarstufe I und II an Gymnasien.
Grundkenntnisse der allgemeinen, anorganischen und organischen Chemie.
09:00 - 09:15 Uhr | Begrüßung und Informationen über den Kursablauf |
09:15 - 10:15 Uhr | Vortrag zum Projekt Chemie Pur und den Fortbildungsinhalten |
10:15 - 10:45 Uhr | Kaffeepause, anschließend Vorstellung der Experimente im Praktikum |
10:45 - 12:30 Uhr | Bau einer Wasserdampfdestillationsapparatur sowie Experimente zur Bodenanalytik (inkl. Pausen) |
12:30 - 13:30 Uhr | Mittagspause |
13:30 - 15:30 Uhr | Experimente zur Bodenanalytik sowie zur UV induzierten Cyanotypie (inkl. Pausen) |
15:30 - 16:00 Uhr | Abschlussbesprechung |
ca. 16:00 Uhr | Ende der Veranstaltung |
Alexander Engl hat die Fächer Biologie und Chemie auf gymnasiales Lehramt studiert und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Chemiedidaktik an der Universität in Landau. Im Rahmen seiner Promotion geht er der Forschungsfrage nach, inwieweit sich das Unterrichtskonzept "Chemie Pur - Unterrichten in der Natur" auf das chemiebezogene Fach- und Sachinteresse, die Einstellung zu Chemie und Natur sowie auf die Naturverbundenheit von Schülerinnen und Schülern der Oberstufe auswirkt.
Björn Risch ist seit 2010 Professor für Chemiedidaktik an der Universität Koblenz-Landau. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen die fachdidaktische Entwicklungsforschung u. a. in folgenden Bereichen: Gestaltung und Analyse von Lernprozessen in Schülerlaboren, Aufzeigen von Möglichkeiten des Unterrichtens von Chemie in der Natur sowie Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in den naturwissenschaftlichen Unterricht.