ALSO-TiO2
Alternative Solarzellen auf der Basis von Titandioxid für den Chemieunterricht
Nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen, Energiewende, "sauberer" Strom aus Solarzellen... das sind Begriffe, denen SchülerInnen täglich begegnen. Im Rahmen des Projekts ALSO-TiO2 werden Experimente und Lehr-/Lernmaterialien entwickelt, die es ermöglichen, an etablierten Inhalten die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie zu erschließen.
Am 24. November 2018 wurde von Frau Prof. Dr. Bohrmann-Linde, Professorin für die Didaktik der Chemie an der Bergischen Universität Wuppertal, und ihrer Doktorandin Diana Zeller eine Lehrerfortbildung zum Thema "Alternative Solarzellen mit Titandioxid" durchgeführt.
Tagtäglich werden SchülerInnen mit Begriffen wie Energiewende, "erneuerbare" Energien und Nachhaltigkeit konfrontiert. Insbesondere die Photovoltaik wird von der Gesellschaft, aber auch aus Sicht der Forschung als ein Baustein bei der Lösung von Energiefragen betrachtet (Abb. 1). Aus diesem Grund entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten die Solarzellentechnologie zu einem der wichtigsten Forschungsthemen, auch in der Chemie. So verwundert es, dass Solarzellen in den Bildungsplänen der Bundesländer größtenteils nur Teil des Physikunterrichts sind.
Prognose der Anteile verschiedener Energiequellen am jährlichen Primärenergieeinsatz
In einer Lehrerfortbildung von Professorin Dr. Claudia Bohrmann-Linde und ihrer Doktorandin Diana Zeller (Didaktik der Chemie, Bergische Universität Wuppertal) am 24. November 2018 wurde das Projekt ALSO-TiO2 vorgestellt und Anknüpfungspunkte an etablierten Inhalten des Chemieunterrichts aufgezeigt. In einem Vortrag führte Professorin Bohrmann-Linde zunächst die teilnehmenden LehrerInnen in das Konzept und die Thematik ein. Im Gegensatz zu den schulüblichen Silicium-Solarzellen können die photogalvanischen Zellen auf Basis von Titandioxid von SchülerInnen selbst zusammengebaut werden. Mit dem Konzept ist eine mehrschrittige experimentelle Erschließung des Themas Solarzellen möglich. Ziel ist es, SchülerInnen als zukünftige Forschende anzusprechen und ihnen dieses zukunftsträchtige Thema zugänglich zu machen.
Nach dem Vortrag wurde den LehrerInnen in einem Workshop mit insgesamt sechs Stationen das Konzept ALSO-TiO2 nähergebracht. Mit der Herstellung von Photoelektroden mit Titandioxid beginnend fertigten die LehrerInnen ihre eigenen Photoelektroden an, um sie später in verschiedene photogalvanische Zellanordnungen verbauen zu können. Die photogalvanische 1-Topfzelle in Station 2 war der erste Aufbau, bei dem die LehrerInnen die Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie beobachten konnten. Die Bezeichnung "photogalvanisch" wurde deshalb gewählt, da einige Komponenten aus der galvanischen Zelle bereits bekannt sind und die ablaufenden Prozesse in der Zelle mit dem Wissen zur galvanischen Zelle erschlossen werden können.
Das Konzept "ALSO-TiO2": Photogalvanische Zellen mit Titandioxid von der 2-Topf-Variante zur transparenten kompakten Anordnung
Die Sandwich-Variante der 1-Topfzelle, die photogalvanische Kompaktzelle, war die nächste Station des Workshops. Durch das Testen verschiedener Lichtfarben konnten die LehrerInnen feststellen, dass die photogalvanischen Zellen einen Nachteil haben: Das weiße Titandioxid ist "blind" für sichtbares Licht. Nur bei Bestrahlung mit UV-Licht ließ sich eine Photospannung messen. Um auch das Licht des sichtbaren Spektrums nutzen zu können, werden die Photoelektroden mit natürlichen Farbstoffen sensibilisiert.
Im Workshop standen drei Farbstofflösungen, eine Himbeer-Lösung, eine Crocin-Lösung (Farbstoff des Safrans) und ein Spinat-Extrakt, zur Verfügung. Die eingefärbten Photoelektroden wurden von den LehrerInnen dann in den Aufbau der Kompaktzelle verbaut. Die Messungen zeigten, dass sie nun sensibel für farbiges Licht sind.
Himbeer-Lösung, Spinat-Extrakt und Crocin-Lösung (Farbstoff des Safrans)
In zwei weiteren Stationen erkundeten die LehrerInnen weitere Eigenschaften von Titandioxid. Durch Bestrahlung der sensibilisierten Photoelektroden mit UV-Licht konnten die photokatalytischen Eigenschaften von Titandioxid und die dadurch resultierende photochemische Degradation des Farbstoffs sichtbar gemacht werden. Des Weiteren wurde eine Wärmebildkamera eingesetzt, um die die Absorption von UV-Strahlung durch Titandioxid und die teilweise Umwandlung in IR-Strahlung beobachtbar zu machen. Abgeschlossen wird der Workshop mit einer gemeinsamen Reflektion der durchgeführten Versuche und eine Diskussion zu Einsatzmöglichkeiten im Chemieunterricht der Sekundarstufen I und II.
Insgesamt zeichnete sich die Lehrerfortbildung durch eine positive Stimmung, konstruktive Gespräche und einen anregenden Austausch zwischen Lehrkräften und Dozentinnen aus.
Diana Zeller
Prof. Dr. Claudia Bohrmann-Linde (Mitte), Diana Zeller (r) und Bettina Grau
Literatur
- Bohrmann, C.; Twellmann, M.; Tausch, M. W. (2011). Vom galvanischen Element zur Solarzelle. Lichtgetriebene elektrochemische Prozesse im Chemieunterricht. Naturwissenschaften im Unterricht – Chemie, 6(66), 12-16.
- M. W. Tausch, M. von Wachtendonk (Hrsg.),U. Bee, C. Bohrmann-Linde, H. Härtner, M. Kremer, E. Werner: CHEMIE 2000+, Baden-Württemberg Kursstufe 4-stündig, C. C. Buchner, Bamberg 2011, S. 258f.
- Bohrmann-Linde, C.; Spinnen, S.; Sahling, P. (2015). "Von der Babywindel zur transparenten Solarzelle – neue photogalvanische Zellen mit Nano-Titandioxid", Praxis der Naturwissenschaften - Chemie in der Schule, 64(1), 10-15.
- Bohrmann-Linde, C.; Zeller, D. (2017). Solarzellen ohne Silicium für den Chemieunterricht. Nachrichten aus der Chemie, 65, 1236-1239.
- Bohrmann-Linde, C.; Zeller, D. (2018). Photosensitizers for photogalvanic cells in the chemistry classroom. World Journal of Chemical Education, 6(1), 36-42.
- Bohrmann-Linde, C.; Zeller, D. (eingereicht bei MNU), Alternative Solarzellen mit Titandioxid. Ein Mentoring-Projekt der Chemiedidaktik Tübingen.
Prof. Dr. Claudia Bohrmann-Linde ist Professorin für Didaktik der Chemie an der Universität Tübingen. Als Vertreterin der experimentell-konzeptionellen Chemiedidaktik liegen ihre Arbeitsschwerpunkte auf der experimentellen Erschließung zukunftsträchtiger Themen mit Bezug auf die Bereiche Energieformen (z.B. Lichtenergie, elektrische Energie, chemische Energie), Energieumwandlung und nachhaltiger Umgang mit Energieressourcen für den Einsatz im Chemieunterricht und die didaktische Aufbereitung. Diese umfasst auch die Entwicklung von Lehr-/Lernmedien in Print- und Elektronikform. Desweiteren ist sie als Herausgeberin und Autorin der Schulbuchreihen "Chemie 2000+" und "Chemie" aktiv.
Diana Zeller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitskreis Didaktik der Chemie an der Universität Tübingen. Im Rahmen ihrer Promotion entwickelt sie ein didaktisches Kofferset zu photogalvanischen Zellen mit Titandioxid.