Home • Kontakt • FAQ • Anmeldung • Anfahrt • Impressum • Datenschutz • 

Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

Exkursion zum Müllheizkraftwerk in Münster
am 29. April 2004

größer Irgendwann hatte ich mal folgendes gehört: Das Papier, das du heute wegwirfst, kommt nächste Woche zu dir zurück. Allerdings aus der Steckdose. Unter normalen Umständen würde man so eine Behauptung wenig Beachtung, geschweige denn Glauben schenken. Aber dennoch ist es richtig. Und um herauszufinden, wie das vonstatten geht, habe ich mich am 29.04.2004 zusammen mit einigen Mitschülern vom Institut Dr. Flad zum Heizkraftwerk in Münster begeben. Dort angekommen wurden wir freundlich und mit Erfrischungen begrüßt und in den dortigen Seminarraum gebeten, wo wir dann eine Einführung und ausführliche Informationen rund um die Vorgänge in diesem Kraftwerk erhielten, die uns dann schließlich in einem Rundgang durch das 2,5 km² große Gelände veranschaulicht wurden.

Um eine Frage Mal vorweg zu nehmen: Es stink dort nicht so penetrant wie man es von einem Müllverbrennungskraftwerk erwarten würde. Warum dem so ist, werde ich im Folgenden erklären. Davon abgesehen war dieses Kraftwerk nicht immer ein Müllverbrennungskraftwerk. Bis 1935 wurde im Kraftwerk, das seit 1908 Strom erzeugt, ausschließlich Kohle verbrannt. Der Strom wird hierdurch größtenteils auf die herkömmliche Art und Weise erzeugt. größer Durch die Verbrennung von Steinkohle, die im 60 000 t fassenden Kohlebunker gelagert wird, wird im sog. Kohlekessel Wasser zum Verdampfen gebracht, anschließend durch einen Generator geleitet, der den Dampf in 10 000 V Wechselspannung umsetzt, der daraufhin direkt ins Stromnetz eingespeist wird. Da jedoch bei der Verbrennung der Kohle toxische Gase entstehen, benötigt das Kraftwerk ein spezielles Reinigungssystem, um die Abgase gemäß der strengen Umweltauflagen des Gewerbeaufsichtsamt zu entgiften. Hierzu werden die Abgase bei 350°C mit Ammoniak besprüht, die darin enthaltenen Stickoxide durch einen wabenförmigen Katalysator geleitet, der aus Oxiden der Platinreihe aufgebaut ist. Entstanden sind nun Wasser und elementarer Stickstoff, beides natürliche Bestandteile der Luft. Da Kohle aber ein organisches Produkt ist, entstehen bei der Verbrennung nicht brennbare Mineralstäube. Die Stäube werden durch einen Elektrofilter geleitet, welcher aus 40- 140 Metallplatten besteht, die zwischen Sprühelektroden geerdet hängen. Dann wird eine Spannung von 60 000 V angelegt, worauf sich die Stäube elektrisch aufladen und an den Metallplatten absetzen. Ein Hammer beseitigt sie anschließend durch Klopfen der Platten, sodass sie direkt in den Abfallbehälter fallen (Wirkungsgrad 99,5%). Die Abgase, die nun nur noch Schwefeldioxid enthalten, werden bei 140°C in den Sprühabsorber geleitet, wo sie mit Kalkmilch (Kalk, Wasser, Reaktionsprodukt) besprüht werden. Das entstandene Calciumsulfit und -sulfat wird am Gewebefilter abgeschieden, ein mit Filterstrümpfen bezogenes Stahlgerüst, und die gereinigten Abgase können über den 180 m hohen Schornstein hinausgeblasen werden. So entstehen aus 600 t gebranntem Kalk 13 000 t Calciumsulfit bzw. -sulfat, welche dann als Düngemittel eingesetzt werden.

Doch als in den 60iger Jahren die einzige Mülldeponie Stuttgarts dann doch überfüllt war, wurde die Aufgabe der Müllverbrennung 1965 auf das Kraftwerk Münster übertragen, da die dabei entstehende Wärme wiederum gekoppelt werden konnte. größer So wurden von 1965 -1971 drei Müllverbrennungskessel gebaut, zwei weitere sind gerade im Bau. Wir konnten live miterleben wie die Müllautos an die Kammer fuhren und den Abfall, bestehend aus Haus-, Gewerbe-, brennbarem Sperrmüll und Kehricht, in den 8000 m³ fassenden Müllbunker abluden. So fallen täglich 950 t Müll an, welcher von rund 500 Müllautos angeliefert wird. Der Müll wird nun mit Greiferkränen durch die Mühle in den Verbrennungskessel transportiert und dort auf 6 Walzen verbrannt; jeder Kessel verarbeitet so rund 20 000 t Müll in der Stunde. Auf der 1.- 3. Walze wird der Müll bei 1100 -1300°C verbrannt, die zurückbleibende Schlacke wird auf der 4.- 6. Walze nochmals aufgeglüht und fällt dann in ein Wasserbad, wo Eisenteile mit einem Magneten herausgezogen werden. Die restliche Schlacke landet auf der Mülldeponie. Auch hier wird durch in den Kessel eingebaute Wasserrohre Dampf erzeugt, der dann umgesetzt als Fernwärme in die Stadt geleitet wird. Doch entstehen bei der Verbrennung wiederum toxische Gase. Die enthaltenen Stäube werden im Gewebefilter abgeschieden, das entstaubte Abgas muss eine vierstufige Wäsche durchlaufen. Hier werden die Abgase im Sprühtrockner mit 30%iger(!) Natronlauge besprüht, worauf die enthaltenen Säuren (Salz-, Fluor- und schweflige Säure) neutralisiert werden und Salze bilden. Zusätzlich wird noch Aktivkohle zugegeben, um eine Dioxinminderung zu erreichen. Die Salze werden nun durch den Elektrofilter geleitet, wo sie anschließend pulverförmig im Reststoffsilo aufgefangen werden. Es entstehen pro Tonne Müll rund 10 kg Salz, welche ins Salzbergwerk abtransportiert werden. Das restliche Abgas strömt nun bei 350°C durch einen Katalysator, welcher aus zwei Teilen besteht: Der Reduktions- Katalysator reduziert die Stickoxide wieder zu elementarem Stickstoff und Wasserdampf mit Hilfe von hochkonzentriertem Ammoniak; der Oxidations-Katalysator crackt die Furane und Dioxine auf, sodass nun das Reingas bei 160°C in den Schornstein transportiert wird.

größer Strom entsteht dabei natürlich auch, nach dem selben Prinzip wie oben bei der Kohleverbrennung beschrieben.

Und wie kommt es nun, dass bei dem ganzen Müll und all den Gasen dennoch kaum Gestank entsteht? Es liegt daran, dass in der gesamten Anlage Unterdruck herrscht, und der Gestank daher nicht nach außen gelangen kann.

Alles in Allem kann ich sagen, dass die Führung durch und die ganze Anlage an sich sehr beeindruckend ist. Obwohl das Kraftwerk aufgrund der hohen, aber sinnvollen Umweltauflagen kein Gewinn erwirtschaftet, ist es ohne Frage notwendig. Denn ansonsten würde unser Müll nicht als Strom durch die Steckdose wieder zurückkommen, sondern als Gestank durch unsere Fenster.

Ich denke, dass es für alle Beteiligen eine sehr interessante Erfahrung war und hoffe, dass das allgemeine Umweltbewusstsein gerade in Sachen Müllproduktion- und Verminderung auch weiterhin ein Thema in unseren Haushalten bleiben wird.

Sarah Vögele, LG 54