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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.
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Kleine chemische Flamme strahlt Behaglichkeit aus
Zündhölzer nach wie vor geschätzt / Die Herstellung begeistert auch heute noch ganze Schülergenerationen

Wochenend-Journal (Beilage der Zeitungsgruppe Rhein-Main-Nahe) vom 05.03.2005

Kleine chemische Flamme strahlt Behaglichkeit aus Von Karin Benzmann

Ein runder Geburtstag: Roland und Sabine haben zum Abendessen eingeladen. Noch drei Ehepaare werden erwartet. Der Tisch ist festlich gedeckt. Silberbestecke und Kristallgläser funkeln im warmen Deckenlicht. Die Türglocke schellt, die Gäste kommen, kleine Geschenke werden übergeben. Schnell sind die Mäntel in der Garderobe abgelegt, gemeinsam betreten Gastgeber und Gäste das Esszimmer.

"Ah, das sieht aber gut aus", heißt es aus der Gästerunde, als die mit einem Blumengebinde und Kerzen dekorierte Festtafel entdeckt wird. Der Willkommenstrunk im Stehen scheint zu munden, das Geburtstagslied wird gesungen, einige verbindliche Sätze werden gewechselt, dann bitten die Gastgeber zu Tisch. Bratenduft dringt aus der Küche. Jetzt sollen nur noch die Kerzen des dreiarmigen Leuchters auf dem Festtagstisch angezündet werden.

"Hast du ein Streichholz?", fragt Sabine ihren Mann. "Lass mal, ich hab' mein Feuerzeug dabei", sagt Gast Rolf, in der Runde als Raucher bekannt, und schon ist dessen Hand suchend in der eigenen Jackentasche verschwunden. "Nein, mit dem Zündholz ist es stimmungsvoller die Kerze anzuzünden", meint ein anderer Gast. Zwei weitere Männer beginnen auch noch in ihren Anzugtaschen zu kramen. Roland ist jedoch schnell fündig geworden: Er hält für alle sichtbar eine kleine Streichholzschachtel hoch, entnimmt ihr ein Zündholz, streicht damit vorsichtig an der Schachtel entlang, und schon beginnt das Holz zu brennen. Die Kerzen werden nacheinander angezündet. Ein stilvoller Abend kann beginnen.

Szenenwechsel, eine von drei Chemieschulen im Großraum Stuttgart: Das Institut Dr. Flad befindet sich in der Innenstadt der Landesmetropole. Dutzende von 17- bis 23-jährigen Schülern drängen jetzt von drinnen nach draußen, um im engen Hof während der Unterrichtspause frische Luft zu schnappen. "Zur Schulleitung wollen Sie?", fragt uns eine Schülerin und weist den Weg im gleichen Gebäude in einer der oberen Etagen. Auf dem Treppenweg dorthin wird schnell erkennbar: Die Chemie beherrscht die Räume. Labors und Lehrsäle reihen sich aneinander, in einem Chemikalienausgaberaum stehen Hunderte unterschiedlicher Produkte nebeneinander. In einigen Räumen experimentieren Schüler in weißen Kitteln. Sie sitzen vor Laborgeräten und bestimmen beispielsweise den Mischschmelzpunkt. Andere hocken in Klassenzimmern in Gruppen vor Computern. Die Stuttgarter Schule wurde 1951 gegründet. Sie wird heute von Wolfgang Flad (62) geleitet. Auch sein Bruder Jürgen Flad, 1946 geboren und Dozent für anorganische Chemie, ist einer von 35 Lehrkräften. Wolfgang Flads Tochter Ulrike (29) hat promoviert und ist Assistentin der Schulleitung. 350 Schülerinnen und Schüler werden an der Schule unterrichtet.

Das staatlich anerkannte Berufskolleg für Chemie, Pharmazie und Umwelt arbeitet auf gemeinnütziger Basis. Schüler aus 54 Ländern ließen sich bislang unter anderem zum Chemisch-technischen Assistenten oder Umweltschutztechnischen Assistenten oder Pharmazeutischtechnischen Assistenten ausbilden. Seit dem 1. Oktober 1988 ist das Institut Dr. Flad UNESCO-Modellschule beziehungsweise UNESCO-Projektschule.

Ein ständiger enger Kontakt zu den Hochschulen und Universitäten, der Industrie und der Gesellschaft Deutscher Chemiker soll garantieren, dass im Lehrplan neue Erkenntnisse und Entwicklungen berücksichtigt werden. Offenkundlich mit großem Erfolg, denn die Schulabsolventen haben nach Flads Angaben kaum Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu kommen.

"Über die Herstellung von Zündhölzern wollen Sie schreiben", hatte Dozent Jürgen Flad auf unsere Anfrage reagiert. Denn die Herstellung von Zündhölzern gehört nach wie vor zum Lehrplan.

Können wir vielleicht eine Zündholzherstellung beobachten? Vielleicht ist das hochinteressant, weil es zischt, eventuell kracht oder streng riecht? "Kommen Sie mit", fordert er auf, denn die Zutaten für die Zündholzherstellung wurden in einem Labor bereit gestellt. Da warten bereits Praktikumsassistent Bernhard Zinsmeister (52), selbst ehemaliger Kollegteilnehmer, zwei Schülerinnen und ein Schüler. Die Szene ist friedlich, es riecht nicht, zischt nicht, und es brennt auch nichts.

Ein längliches dünnes Holz wird jetzt von einem Schüler vorsichtig in Wachs eingetaucht. Phosphor, Leim, Kaliumchlorat warten ebenfalls auf ihren Einsatz. "Das jetzt entstehende Zündholz kann aber heute noch nicht brennen", dämpft Flad feurige Erwartungen zum Schaschlikspieß-Holzstück. "Der Phosphor am Zündkopf muss erst trocknen, sonst brennt er nicht, das dauert etwa 24 Stunden", erklärt der Chemiker. Also doch nur Theorie und keine Brennreaktion, aber die kommt wenige Minuten später, als eine Schülerin ein bereits trockenes Zündholz anzündet. Im Lehrplan der Chemieschule wird die Herstellung des Zündholzes integriert bleiben, weil bei der Herstellung eines einfachen Produktes eine ganze Kette von Reaktionen ausgelöst werden muss, die in der richtigen Geschwindigkeit bis zum Erlöschen des Feuers. "Das Holz darf nicht mehr glimmen", heißt es vom Chemiker, der weiß, dass immer wieder Schüler von der Zündholzherstellung fasziniert sind. Dazu legt er eine Arbeit von zwei Schülerinnen vor, die sich vor rund zwei Jahren mit der Herstellung und Analyse eines kommerziellen Zündholzes beschäftigt hatten. Die beiden Mädchen beschreiben darin verschiedene Versuche, analysieren die Wirkung der einzelnen Stoffe und nehmen auch zu den Überallzündhölzern Stellung, gibt es doch beispielsweise Sturmzündhölzer, die noch bei großem Sturm brennen, Sicherheitszündhölzer, die nur an einer phosphathaltigen Fläche entzündbar sind, und wetterfeste Zündhölzer mit einer Schutzschicht über der Zündfläche. Überallzündhölzer lassen sich an jeder beliebigen rauen Fläche anzünden.

Kann also jeder gefahrlos seine eigenen Zündhölzer herstellen? "Die Herstellung sieht so einfach aus, ist aber komplex", so Flad, schließlich werde mit gefährlichen Substanzen hantiert, die explodieren können. Nach seiner Beobachtung hat sich in den letzten Jahrzehnten bei der Herstellung kaum etwas verändert. Es gibt aber "kleinere Zusätze, die die Reaktion verlangsamen können", sagt er, denn ist die Reaktion zu schnell, kommt es zur Explosion, aber nicht zur gewünschten Zündung mit dem einige Sekunden dauernden Abbrennen. Farblich hat sich auch einiges getan, denn es wird mehr mit Farben zum Abbrennen gespielt. "Man kann heute alle Farben machen", sagt Flad.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde das Zündholz zum Massenbedarfsartikel. In Deutschland entstanden zahlreiche Zündwarenfabriken. 1847 waren es rund 200 Fabriken, 1921 nur noch 66, heute sind es noch weniger. Die Sammler von Zündholzschachteln-Etiketten nennen sich Phillumenisten. Der Ausdruck kommt aus dem Griechischen und Lateinischen. Philos heißt zu deutsch Freund und lumen bedeutet Licht. Ein Wunschtraum jedes Sammlers bedeuten die ersten deutschen Etiketten von Zündholzschachteln, die um 1835 entstanden sind.

Roland und Sabine sind keine Etikettensammler. Sie interessiert auch keine Schul- und Feuerentstehungsgeschichte. Sie wollen aber gute Gastgeber sein. Deshalb laden sie ein, bieten ein gutes Essen an, lassen Kerzen auf der Festtafel brennen und erfreuen im Winter die Gäste mit der Wärme aus einem offenen Kamin. Damit ihre Wünsche in Erfüllung gehen können, greifen sie immer wieder gern zum Alltagsprodukt, dem Zündholz, auch wenn dessen schärfster Konkurrent, das Feuerzeug, oft leichter im Haus zu finden ist.