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Ein Wink mit der Pranke des Löwen Die meisten Musikliebhaber werden Mozart seiner Opern wegen rühmen, werden seine Sinfonien und Konzerte schätzen, sein kammermusikalisches Oevre indes, insbesondere seine Streichquartette, werden sie oft erst auf den zweiten Blick liebgewinnen. Dies mag einerseits daran liegen, dass diese Gattung mit 23 Werken im Schaffen des Komponisten rein mengenmäßig nicht hervorsticht und in der Rezeptionsgeschichte lange vernachlässigt worden ist, andererseits die frühen Vertreter lediglich als allerliebste Unterhaltung angesehen werden und den Spätwerken mangelnde Formenstrenge attestiert wird. Diese oftmals stiefmütterlich behandelten Kleinodien im Kontext der Gattungsgeschichte erlebbar zu machen, ist das Anliegen der Asperger Kammersolisten, Roland Heuer, Ikuko Nishida-Heuer (Violine), Axel Breuch (Viola) und Joachim Hess (Violoncello), wobei innerhalb des Zyklus im Theaterkeller jeweils ein frühes Opus einem der berühmten gegenübergestellt wird und der Zuhörer so der schöpferischen Entwicklung über zwei Jahrzehnte hinweg nachspüren kann. Zum Auftakt erklang das 1772 entstandene Quartett in G-Dur KV 156, welches Mozart auf der Reise nach Mailand wie auch dortselbst niedergeschrieben hat. Der dreisätzigen Anlage ist die nahe Verwandtschaft zur italienischen Sinfonia ebenso abzulauschen wie der Bezug zur Divertimento-Tradition, vor allem in dem von großer Lebendigkeit geprägten Presto, das noch hier und da formelhafte Wendungen eingeflochten hat, was dank der sorgsam erarbeiteten Interpretation der Musiker deutlich wird. Fremdartig wirkt das Adagio, das vom Komponisten erst später, als Surrogat für den ursprünglichen langsamen Satz, eingefügt worden war, ob seiner innigen Sanglichkeit, die schon von den ergreifenden Seufzer-Motiven zu Beginn ausströmt. Hier vermochten es die Asperger Kammersolisten, die Stimmen auf das Engste miteinander zu verknüpfen und damit eine besondere lyrische Sogwirkung zu erzielen, die von den gravitätischen Finessen des Schlusssatzes mit dem überaus aparten Trioteil kontrastiert wurde. Von der intensiven Beschäftigung Mozarts mit dem Begründer der Gattung, Joseph Haydn, vor allem mit dessen russischen Quartetten, zeugt KV 485 in B-Dur, wobei der Komponist diese "Frucht einer langen und mühevollen Arbeit" in Verehrung und nicht ohne Stolz dem Altmeister gewidmet hat. Den Beinamen "Jagdquartett" verdankt das Stück seinem dreiklanghaften Beginn in bester Parforce-Manier, wobei dem Allegro, vom naturgemäß geschwinden Tempo abgesehen, keine besondere Huldigung an Diana anzumerken ist, vielmehr ist von Bedeutung, dass das zweite, liebliche Thema nicht als Antithese mit dem Zweck der weiteren Verarbeitung in der Durchführung gedacht ist, auf diese wird, losgelöst vom Ideal des Sonatensatzes, verzichtet. Nicht zuletzt solche Eigenheiten haben den bedeutenden Musikforscher Alfred Einstein zu dem apodiktischen Urteil veranlasst, Mozart habe "Musik aus Musik" erschaffen; dieses scheint jedoch treffend, wenn man, zumindest in Bezug auf die Streichquartette, feststellt, dass Haydn dazu gegensätzlich Musik aus der Form entwickelte. Von durchscheinender Zartheit zeigte sich das Adagio, aus Motiven höchster Kantabilität entspinnt sich ein Thema, dessen reine Empfindsamkeit und harmonische Behandlung schon an das Siegfried-Idyll gemahnt. Geschwinde davonzueilen scheinen sodann die vielen Noten des vierten und letzten Satzes, hier zeigt sich die Pranke des Löwen, nämlich die des Musikdramatikers, der genialisch ein Selbstzitat aus der parallel entstandenen "Entführung", das Thema des Schluss-Vaudevilles "Wer so viel Huld vergessen kann...", anbringt, und so die 16 Saiten mit ebenso scheinbarer Leichtigkeit zum klingen bringt, wie die Asperger Kammersolisten die Seelen der gebannten Zuhörerschaft in angenehmste Schwingung zu versetzen wussten. Mit dem langanhaltenden Beifall für diesen erkenntnisreichen, unterhaltsamen Abend sind Hoffnung und Vorfreude auf die kommenden Konzerte mit weiteren Perlen Mozart’scher Kammermusik verbunden. Martin R. Handschuh |
Konzert am 19. März 2010
Konzertreihe "Musik im Gespräch" im Theaterkeller des Instituts