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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Prof. Dr. Franz Effenberger

Institut für Organische Chemie, Universität Stuttgart

Von Diamanten zur Carbonfaser - Neues über Modifikationen des Kohlenstoffs

Mittwoch, 16.03.2011, 15:00 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

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Von Diamanten zur Carbonfaser
Neues über Modifikationen des Kohlenstoffs

Im Rahmen der 15. Stuttgarter Chemietage konnte Schulleiter Wolfgang Flad einen weiteren hochkarätigen Referenten begrüßen. Prof. Dr. Franz Effenberger, ehemaliger Inhaber eines Lehrstuhles für Organische Chemie an der Universität Stuttgart, später bis 1990 Rektor dieser Universität, berichtete den zahlreich erschienenen Zuhörern über Modifikationen des Kohlenstoffs. Seinen sehr interessanten Vortrag gliederte der Referent in drei Phasen der Modifikationsforschung und der Anwendung.

Erste Phase: Kohlenstoffmodifikationen bis 1985 in Form von Diamant, Graphit und Ruß
Zweite Phase: Modifikationen seit 1985 in Form von Fullerenen, Graphenen und Kohlenstoff-Nanoröhrchen
Dritte Phase: Modifikation in Form von Carbonfasern

größer Mittels anschaulicher Folien verdeutlichte Prof. Effenberger die Grundlagen für die Modifikation des Kohlenstoffs, indem er zunächst auf die Besonderheiten der Elektronenkonfiguration (Hybridisierungen) sowie des Phasendiagramms einging. Dabei zeigt sich, dass Graphit im Vergleich mit Diamanten stabiler ist. Der sehr harte Diamant mit kubischer Kristallstruktur kommt in zwei Formen vor: entweder als natürlicher Diamant oder als aus Graphit hergestellter Industriediamant. Letzterer ist vor allem wegen seine hohen Wärme-Leitfähigkeit interessant. Sie ist fünffach größer als die von Kupfer. Somit ist der Diamant als zudem härtestes bekanntes Material für die Industrie von Bedeutung.

Neben dem Diamant war bis 1985 Graphit als Kohlenstoff-Modifikation bekannt. Auch hier liegen zwei Formen vor: natürlicher Graphit kristallin in Stücken oder Pulver oder künstlich hergestellter. Natürliche Vorkommen finden sich hauptsächlich in China. Die künstliche Herstellung erfolgt mittels Pyrolyse von Erdöl und Kohle.

Schließlich ist als dritte Modifikation der Phase eins, bis zum Jahr 1985, der Ruß zu nennen. Er entsteht durch unvollständige Verbrennung. Großtechnisch als Carbon black erzeugt (ca. 7,3 Millionen Tonnen pro Jahr), findet er Verwendung bei der Herstellung von Autoreifen, Farben sowie in der Medizin.

Ab 1985 zeigten sich überraschenderweise neue Modifikationen des Kohlenstoffs. Die Welt der Fullerene tat sich auf. Namensgeber der neuen Variante war der Architekt Buckminster Fuller. Dessen anlässlich der Expo 67 gebauter US-Pavillon stand Modell. Dass es in der Welt der Wissenschaft nicht immer gerecht zugeht – diesen Seitenhieb konnte sich Prof. Effenberger nicht verkneifen. 1990 isolierte bereits W. Krätschmer Fullerene aus Ruß, der Nobelpreis 1996 wurde dafür nicht ihm, sondern drei Amerikanern verliehen. Sehr häufig kommen Fullerene vor, die aus 60 Kohlenstoffatome bestehen. Dabei bilden die Atome ein Netzwerk aus Fünf- und Sechsecken.

Als Graphen bezeichnet man, einzelne isolierte Schichten aus dem Graphit-Gitter. Anwendung findet Graphen u.a. in der Mikroelektronik, da es sich durch eine außergewöhnliche Ladungsträgerbeweglichkeit auszeichnet.

Schließlich seien noch die Kohlenstoff-Nanoröhrchen genannt. Sie haben sowohl eine sehr hohe Elastizität als auch eine sehr hohe Festigkeit und sind somit in vielerlei Hinsicht für den praktischen Einsatz bestens geeignet: Displays, Filter, Sensoren, Einsatz bei Verbundwerkstoffen ...

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Ein neues Zeitalter leitete die industrielle Anwendung des Kohlenstoffs in Form von Carbonfasern ein. Zwar karbonisierte bereits Edison Baumwolle und setzte die daraus gewonnenen Fasern als Fäden in die Glühbirnen ein - doch erst in jüngster Zeit ist man sich ihrer herausragenden Bedeutung bewusst. Reißfestigkeit, elektrische Leitfähigkeit etc. machten sie für die Industrie interessant. Allerdings zunächst nicht für die deutsche, sondern für die von Asien und Nordamerika, weil Produktion und Verarbeitung von Chemie-Fasern hierzulande weitgehend aufgegeben wurde. Welches Know how mit dieser globalisierungsbedingten Verlagerung verloren zu gehen drohte, erkannte Prof. Effenberger. Seit 2003 ist er Direktor des Institutes für Textilchemie und Chemiefasern in Denkendorf. Gemeinsam mit der Firma SGL Carbon, einem "Ableger" der Hoechst AG, arbeiten er und seine Mitarbeiter daran, eigenständig die C-Faserentwicklung und den praktischen Einsatz der Carbonfaser voranzutreiben. Polyacrylnitril, Zellulose sowie Pech bilden dabei die Grundlagen. Polyacrylnitril wird ab 200 Grad stabilisiert, mit steigender Temperatur erfolgt Carbonisierung durch Pyrolyse unter Freisetzung von Gasen.

Vergleicht man die Festigkeit von Carbonfasern mit der von Glasfasern oder Stahldrähten, so fällt auf den ersten Blick die hohe Überlegenheit der C-Fasern auf. Festigkeit gepaart mit Leichtigkeit erschließen für die Industrie bisher ungeahnte Möglichkeiten. Ressourcen können geschont werden, der Energieverbrauch reduziert sich drastisch. Weltweit bietet sich der Einsatz in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Freizeit sowie der herkömmlichen Industrie an. Gerade auch die Automobilindustrie profitiert von der Leichtbauweise, ohne dass dabei die Sicherheit vernachlässigt wird.

Intensive Forschung, kombiniert mit dem Willen und der Bereitschaft, Gelder in diese Forschung zu stecken und ihre Ergebnisse praktisch umzusetzen, ermöglichen weltweit Wachstumspotenziale.

Das Foto eines Kohlefaser-Lamborghini, "Schwarze Schönheit" genannt, rief bei den Zuhörern eine ähnliche Begeisterung hervor wie der eigentliche Vortrag, an dessen Ende Prof. Effenberger folgendes Statement abgab: "Nur mit Hilfe der chemischen Forschung können wir unsere Zukunftsprobleme lösen."

Angela Schmitt-Bucher

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