Ruf der Verantwortung
Schüler des Institutes begeistern mit ihrem Theaterstück
Nach neun Monaten intensiver Vorbereitung war es endlich soweit: Das Theaterstück "Ruf der Verantwortung" feierte im Theaterhaus Stuttgart vor über 500 Zuschauern, darunter zahlreiche Schüler von den Partnerschulen in Ellwangen und Singen, Premiere.
Das Manuskript wurde von Anja Barth, Evelin Sastre und Dirk Winkelmann verfasst und mit zwölf weiteren Schülern in ein Theaterspiel umgesetzt.
Im Stück wird die Verantwortung personifiziert, d.h. sie greift als Mensch aus Fleisch und Blut immer wieder aktiv in die Handlung ein.
Zu Beginn des Stückes sehen wir sie unter Palmen sitzend. Die Verantwortung hat sich nämlich resigniert auf eine abgelegene Insel geflüchtet, da sie schmerzhaft erleben musste, dass die Menschen sie offenbar ablehnen, nichts von ihr wissen wollen.
Eingebettet in die Rahmenhandlung "Kreuzfahrt" wird nun im Verlauf der Handlung die Frage thematisiert, weshalb sich die Menschen von der Verantwortung abwenden.
Bereits das erste Bühnenbild versetzt die Zuschauer in Urlaubsstimmung. Minimalistisch edel ausgestattet, geht von der Bühne ein maritimes Flair aus: Augenschmaus pur! Wir befinden uns an Deck eines Traumschiffes (Schiff als Metapher für das Leben?), das sich auf Kreuzfahrt von Hamburg in die Karibik begibt.
Dem luxuriösen Ambiente entsprechen die Passagiere. Ein buntes Häufchen von ihnen bevölkert das Deck - die Unterschiede, sowohl was die Charaktere als auch das Aussehen der Passagiere anbelangt, könnten nicht größer sein.
Stellvertretend für den Typus "sozialer" Mensch treten uns eine Krankenschwester und ein Streetworker entgegen. Beide verhalten sich relativ normal.
Das trifft für den Passagier Diana nicht zu. Als "Göttin der Jagd" weiß sie ihre Waffen gezielt einzusetzen und schafft es innerhalb kürzester Zeit, Mitpassagier Carlo zu umgarnen. Umwerfend, wie die beiden Schüler als "Schickse" und "Dandy" agieren. Champagner interessiert sie viel mehr als ihre Mitmenschen.
Als Gegenentwurf zu dieser Spaßgesellschaft, zu der sich noch ein Model und ein Drogendealer gesellen, befindet sich ein Ordensmann an Bord. Schon seine Kutte stempelt ihn in dieser Umgebung zum Außenseiter und auch das Motiv seiner Reise hebt ihn von den anderen Mitreisenden ab: Er möchte als Missionar in Kolumbien arbeiten; immerhin ist er sich scheinbar seiner Verantwortung bewusst.
Ganz im Gegensatz zum Kapitän des Luxusschiffes: Optisch ein Hanseat durch und durch, automatisch assoziiert man mit ihm Pflichtgefühl, handelt er absolut verantwortungslos, als er sich von einigen Passagieren zu alkoholischen Drinks überreden lässt. Ausgerechnet er, der die größte Verantwortung an Bord hat, der bestimmt, was zu tun und zu lassen ist, handelt skrupellos.
Kein Wunder, dass sich die Verantwortung auf eine Insel zurückgezogen hat. Wenn schon der Kapitän versagt, wie muss es um die anderen bestellt sein? Es kommt, wie es kommen muss.
Szenenwechsel: Wir befinden uns auf einer tropischen Insel, Palmen säumen den Strand. Doch die Idylle trübt. Denn inzwischen ist das Schiff gekentert, viele Passagiere sind ertrunken, nur wenig Deckgäste haben das rettende Ufer dieser Insel erreicht. Hier setzt sich das bereits bekannte Verhalten der Menschen fort. Während die einen bemüht sind, das Überleben der Gruppe zu sichern, geben sich andere, allen voran Carlo, dem Müßiggang hin. Carlo hält es nicht für nötig, seiner Verantwortung gerecht zu werden, im Gegenteil: Er verteidigt vehement sein Schmarotzertum.
Aber auch der scheinbar so selbstlose Missionar versagt, er entpuppt sich als Heuchler.
Anstatt den anderen Überlebenden zur Seite zu stehen, gibt er sich heimlich dem Alkohol hin und führt sinnentleerte Gespräche mit Gott. Köstlich, wie Dirk Winkelmann diesen Ordensmann spielt!
Not schweißt bekanntlich zusammen. In ihrer aussichtslosen Lage rücken die übrigen Schiffsbrüchigen zusammen und offenbaren nun ihr eigenes Versagen bzw. ihr verantwortungsloses Handeln. Die Krankenschwester hat früher ein Kind überfahren, der Streetworker ist ein ehemaliger Drogendealer und Matrose Joe fühlt sich für das elende Sterben seiner Frau verantwortlich.
Zu der individuellen Verantwortung gesellt sich die unserer Gesellschaft.
Wie halten wir es mit der Verantwortung gegenüber den Tieren? Geiz ist geil, Gammelfleisch der Preis, so die Botschaft. Die Darsteller verzichten allerdings auf den erhobenen Zeigefinger, ganz im Gegenteil: Die Kühe Erna und Berta begeistern optisch derart, dass man ihnen ihr Schicksal, nämlich als Rindsroulade in Rotweinsoße zu enden, ersparen will.
Mitleid aus ganz anderen Gründen bekommt man mit zwei Barbie-Girls. Sie leisten sich "personal trainers", anstatt ihr Geld für etwas Sinnvolles auszugeben. Paris Hilton lässt grüßen! Aber verhalten wir uns als Spaßgesellschaft nicht auch verantwortungslos, wenn wir solchen falschen Vorbildern nacheifern? Und wie halten wir es mit dem Konsum von Drogen?
Auf der Bühne keimt Hoffnung auf. Der ehemaliger Drogendealer leugnet zunächst seine Schuld. Wenn nicht er die Abhängigen ins Elend gestürzt hätte, wäre es ein anderer gewesen. Doch nun hat er als Streetworker bewusst Verantwortung übernommen.
Auch die Person "Verantwortung" im Theaterstück schöpft neuen Mut. Die Schiffbrüchigen, einschließlich Carlo, haben erkannt, dass ohne sie Überleben nicht möglich ist.
Wie einfach wäre es gewesen, grundsätzlich verantwortungsvoll zu handeln! Dass dies der bessere Weg ist, zeigt uns das Schlussbild eindringlich. Die gleiche Szene wie zu Beginn des Stückes: Ein illustres Völkchen flaniert über das blütenweiße Deck, der schmucke Kapitän steht am Steuerrad. Er trotzt den alkoholischen Verlockungen und schippert seine Passagiere sicher über die Weltmeere.
So wünscht man sich das Spiel auf den Brettern, die die Welt bedeuten: Ein Feuerwerk an optischen und akustischen Reizen wurde abgebrannt, angefangen bei den Kostümen bis hin zum Bühnenbild und der Musik - Laienschauspielerei auf hohem Niveau, pfiffige Unterhaltung kombiniert mit nachdenklich stimmenden Momenten!
Zu Recht stehende Ovationen für dieses gelungene Theaterprojekt!
Übrigens: Die Darsteller handeln selbst verantwortungsbewusst dadurch, dass die gesamten Einnahmen des Theaterabends an folgende Organisationen gespendet werden: Ärzte ohne Grenzen, Kinder in Not, Menschen für Menschen.
Angela Schmitt-Bucher
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