Alles in bester Ordnung
Ein Theaterspiel zum Thema Ordnung und Unordnung
Über sieben Monate hatten Schüler des Lehrgangs 67 eifrig für die Uraufführung ihres Stückes geprobt. Unter der Leitung von Andreas Frey und Norbert Eilts vom "Dein Theater" wurden Ideen zum Thema Ordnung entwickelt und umgesetzt.
Endlich war es so weit. Vor vollbesetzten Rängen des Theaterhauses auf dem Stuttgarter Pragsattel zeigten die elf Schüler ihr schauspielerisches Können.
Ordnung und Unordnung: Zwischen diesen beiden Polen spielt sich unser Dasein ab. Seien es zwischenmenschliche Begegnungen, staatliche Institutionen wie Militär oder Polizei, Reglementierungen im Straßenverkehr - nichts von all dem funktioniert, wenn nicht eine gewisse vorgegebene Ordnung herrscht. Doch wo Ordnung herrscht, lauert auch schon die Unordnung.
Dies zeigten die Teilnehmer des Theaterprojektes am Beispiel der Chemie. Wir staunen über den Aufbau des Periodensystems, wir sind fasziniert von der Oktett-Regel, von der Anordnung der Atome im Kristallgitter. Doch dem entgegen steht die Tendenz zur Unordnung.
In achtzehn Bildern bzw. Szenen übertrugen die Schüler diese Dialektik, einerseits Ordnung, andererseits permanenter Drang nach Unordnung, nach Chaos, auf das gesellschaftliche Zusammenleben.
Ohne innere Ordnung, ohne moralischen Kompass wie sie die Zehn Gebote verkörpern, funktioniert ein friedliches Miteinander nicht. Was für die Familie im Kleinen gilt, trifft auch im Großen für das Staatswesen zu. Das Grundgesetz bildet den Ordnungsrahmen: Es ist eine Art Leitplanke, damit alles in geordneten Bahnen verläuft: das Zusammenspiel der sechzehn Bundesländer, die Bundeswehr, die Straßenverkehrsordnung usw. Schön ist es, wenn sich alle anderen an Regeln halten. Für sich selbst nimmt man gerne Ausnahmen in Anspruch, schert sich einen Deut darum. Auf witzige Art und Weise brachten dies die Schüler in der Szene "Parkverordnung: Eine Politesse flippt aus!" zum Ausdruck.
Ein Höhepunkt der Theaterpremiere war sicherlich die Darbietung "bewegte Ordnung". In Zusammenarbeit mit der New York Dance School hatten die Teilnehmer eine Tanzeinlage einstudiert, die es in sich hatte. Zwar legte jeder Tänzer "eine flotte Sohle hin", die Faszination insgesamt geht aber vom Ensemble aus, d.h. die Synchronisation der Schritte erfordert Ein- bzw. Unterordnung in der Gruppe.
Manchmal herrscht schon in der Zweisamkeit Chaos, beispielsweise dann, wenn man es mit der sprachlichen Ordnung nicht so genau nimmt. So wie beim dargestellten Ehepaar: Für sie liegt Stuttgart am Neckar, für ihn dagegen am Nektar.
Ordnung herrscht nicht nur im Institut Dr. Flad, sondern auch drumherum. Die Theatergruppe hatte sich die Mühe gemacht, die umliegenden "Nachbarn", d. h. Geschäfte, Stadtteilbibliothek und das Hotel Sautter nach ihren Ordnungsprinzipien zu befragen. Wen wundert es: In der Bücherei scheinen insbesondere Kinder einen Hang zur Unordnung zu haben. Doch manch ein Erwachsener ist davor auch nicht gefeit, wie ein virtueller Blick in die Kleiderschränke der Schauspieler bewies. Für den einen tut es der Boden als Ablagefläche, andere räumen ihre Kleidung akkurat auf.
Ordnung muss sein! Auch im täglichen Umgang miteinander: Schüler bittet eine Assistentin: "Können Sie abnehmen?" Eine Unverschämtheit? Nein, nur eine sprachliche Schlamperei. Mit der "Abnahme" ist die Kontrolle von aufgeräumten Räumen gemeint.
Zum Abschluss dieser vergnüglichen Aufführung, immerhin schon die fünfzehnte Premiere, verwiesen die Theaterprojektteilnehmer mit einer berührenden Szene auf die Schönheit des gesamten Kosmos. Wir alle sind Teil einer großen, umfassenden Ordnung, auch wenn wir als Einzelne leider allzu oft diese Ordnung (zer-)stören.
Auf den Brettern, die für Regisseure, Schauspieler und Zuschauer die Welt bedeuten, war bei dieser Uraufführung zumindest alles in bester Ordnung.
Angela Schmitt-Bucher