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Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

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Physikalische Chemie zwischen Herd und Labor: Forschung mit Genuss

Prof. Dr. Thomas A. Vilgis, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz

Mittwoch, 30. September 2009, 16.30 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal

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Physikalische Chemie zwischen Herd und Labor: Forschung mit Genuss

Physikalische Chemie zwischen Herd und Labor: Forschung mit Genuss

Dass Artikel von Physikern in einschlägigen Gourmetjournalen erscheinen, ist eher die Ausnahme. Für Prof. Dr. Thomas Vilgis ist das Verfassen von Beiträgen zum Thema Kochen fast die Regel.

Ein Physiker und ein Chemiker besuchen zusammen ein französisches Restaurant. Trotz der Tatsache, dass beide demnächst "weiche Materie" verzehren werden, liest jeder von ihnen die Speisekarte auf seine eigene Art und Weise. Den Physiker interessieren die Proteinfaltung, die Eigenschaften von Fetten, die Frage nach eingesetzten Emulgatoren und selbst die Trübung des Pastis wird physikalisch interpretiert.

Als Zutaten für die weitere Menüabfolge sind Fette und Wasser unabdingbar. Schade, dass sich beide feindlich gesinnt sind, das zeigt die nähere Analyse in unserem Küchenlabor. Für welche Fette hat sich der Koch entschieden? Bevorzugt er festes oder flüssiges Fett? Greift er auf gesättigte Fettsäuren (Kohlenstoffatome sind in der Kette durch einfache Bindungen verknüpft) oder ungesättigte (Doppelbindungen) zurück?

Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind - der Geschmack der Nahrung ist in starkem Maße abhängig von deren physikalischen Eigenschaften wie Kristallstruktur, Schmelzpunkt etc. Damit sich unsere Erzfeinde, Wasser und Fett, miteinander vertragen, benötigen sie eine Art "Verträglichkeitsvermittler". Sie benötigen einen Emulgator, wie Prof. Vilgis am Beispiel der Sauce vinaigrette erläuterte. Mittels eines Schneebesens werden die im Wasser enthaltenen großen Öltropfen in viele kleine zerschlagen; das Volumen ändert sich nicht, allerdings vergrößert sich die Oberfläche um das Zehnfache. Hört man mit dem Schlagen auf, hat man schnell wieder die großen Tropfen. Kleiner Küchentrick: Durch die Zugabe des Vermittlers, des Emulgators Eigelb, wird die erneute Zusammenlegung der Öltropfen verhindert, denn der Emulgator mag sowohl Fett als auch Wasser.

Dieses Grundprinzip macht man sich auch beim Aufschäumen von Nahrungsmittel zunutze, da Emulgatoren dem luftigen Schaum, der eigentlich flüssig ist, die nötige Stabilität verleihen. Ehe das luftige Dessert aufgetischt wird, steht der Hauptgang an. Fleisch ist ein Stück Lebenskraft! Von wegen: Weisen die Aminosäuren in ihrer Sequenz einen "Buchstabierfehler" auf, kann dies tödliche Folgen haben (Sichelzellenanämie, Prionen). Ausschlaggebend für die Faltung der Proteine ist die Abfolge von hydrophilen und hydrophoben Aminosäuren.

Braten, Backen oder Kochen? Je nach Art der Garung schwingt die physikalische Chemie den Kochlöffel mit. Beim Braten des Fleisches z.B. entfalten sich die Proteine und bilden neue Netzwerke; belässt man das Fleisch zu lange in der Pfanne, umso zäher wird es, da die hydrophoben Aminosäuren clustern. Aus physikalischer Sicht macht die neuere Tendenz des Garens bei niedrigen Temperaturen durchaus Sinn. Doch wie bekommt man das Fleisch bei 60 C braun? Auch auf diese und etliche andere Zuhörerfragen wusste Prof. Vilgis eine Antwort und für Anhänger der Molekularküche hatte er etliche Rezepte parat: Probieren Sie doch einmal Schoko-Olivenöl-Lollis, Oliven-Orangen-Creme oder Stickstoff-Sahneeis.

Angela Schmitt-Bucher

 

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