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Schokolade - ein chemischer Sinnesrausch (mit Kostproben!)
Prof. Dr. Klaus Roth, Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin
Donnerstag, 1. Oktober 2009, 16.30 Uhr
Vortrag am Institut Dr. Flad, Großer Hörsaal
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Schokolade - ein chemischer Sinnesrausch "Schokolade mehrt unsere Freude" (Aristoteles) Geschichtliches: Anbau und Herstellung: 1815 erfand der Holländer C.J. van Houten in seiner Fabrik in Amsterdam eine hydraulische Presse, um die Kakaobutter von der Schokolade zu trennen. Die so entstandene Masse lässt sich leicht zu einem Pulver zermahlen. Lindt erfand im Jahre 1879 einen Weg, die Qualität von Schokolade erheblich zu verbessern. Er entwickelte die Conche, die ihren Namen vermutlich von ihrer muschelähnlichen Form hat (vom lateinischen concha abgeleitet). Das Prinzip der Conche: Ein großes, flaches, längliches Becken aus Granit, über das sich Granitwalzen vor- und zurückbewegen; die Walzen schlagen dabei gegen die Ränder, so dass die flüssige Schokoladenessenz über die Walzen zurück in den Hauptteil des Mechanismus spritzt. Durch die dabei entstehende Reibung wird Hitze erzeugt, so dass die Temperaturen auf 76 °C bis 78 °C ansteigen. Danach hat die Schokolade eine sehr viel weichere Konsistenz, das "Zungengefühl" als auch das Aroma werden so verbessert. Chemische Zusammensetzung der Schokolade: Anleitung für den Schokoladen-Genuss:
Angelina Euler und Kerstin Wiedmann, LG 59 |
Schokolade - ein chemischer Sinnesrausch Ja, dieser Vortrag von Prof. Dr. Klaus Roth war wahrlich ein Hörgenuss und nicht zuletzt auch eine Gaumenfreude. Roth beschäftigt sich schon in seinen Büchern unter anderem mit "chemischen Köstlichkeiten" und erhielt 2008 dafür den Schriftstellerpreis der GDCh. Kein Wunder, dass er über eine Köstlichkeit, die Schokolade, einen sprachlich wunderschönen und unterhaltsamen Vortrag am Institut hielt. Schokolade mehrt Freude und mindert Leiden. Damit stellte er eine Verbindung her zum Vortrag von Herrn Prof. Fischer her und wies auf eine Gemeinsamkeit zwischen den Naturwissenschaften und Schokolade hin. Prof. Dr. Roth sprach zunächst von der Heimat des Kakaos. Bis heute wächst die Kakaopflanze nur in Mittelamerika, hier vor allem in Belize und auf Honduras, wo Kakao schon seit 1300 v. Chr. bekannt ist. Funde von Trinkgefäßen aus alter Zeit bestätigen, dass Kakao damals schon getrunken worden war, da Archäologen an den Gefäßböden Theobromin fanden. Auch aus Abbildungen und Texten des Jahres 1051 n. Chr. geht hervor, dass die Inkas schon geschäumten Kakao tranken. 1544 kamen erstmals 2 Säcke Kakaobohnen nach Europa an den spanischen Hof zu Philipp II. Roth gab zu bedenken, dass der Kakao von damals aber keineswegs vergleichbar mit unserem heutigen Kakao schmeckte, da unter anderem der Zucker fehlte. Spanische Hofköche entdeckten schnell, dass das Kakaogetränk mit Zucker vermischt genießbarer ist. Und so war der Kakao schnell das "In-Getränk" europäischer Adelshäuser. Trotzdem könne dies noch lange kein Genuss gewesen sein, da eine dicke Fettschicht auf Wasser schwamm. Als zweiten Punkt seines Vortrages erläuterte Prof. Dr. Klaus Roth den Weg der Kakaobohne, bis hin zu der Tafel Schokolade, die wir gerne verspeisen. In einer "Kakaomelone" befinden sich 40-60 Bohnen, der Rohstoff für etwa eine Tafel Schokolade. Diese Melonen werden ausgeschabt und der Inhalt noch vor Ort fermentiert und danach getrocknet. So können die noch ungenießbaren Bohnen nach Europa verschickt und dort 1-2 h bei 100-120°C geröstet werden. Hierbei schmilzt das Fett und Gerbstoffe werden abgebaut. Eine Vielzahl von Aromastoffen wird durch Zugabe von Zucker freigesetzt. Wer versucht den Geruch von Schokolade zu beschreiben, wird bemerken, dass das gar nicht so einfach ist. Ein ganzes Bouquet von Aromen ist in der Kakaomasse enthalten. Danach werden die Kakaobohnen gemahlen und die Masse gewalzt, damit die so genannte Kakaorohmasse entsteht. Diese Masse wurde 1828 durch Houten erstmals gepresst und damit entfettet, so dass einerseits Kakaobutter und andererseits der Presskuchen entstand, aus dem das Kakaopulver hergestellt werden kann. Dieses Kakaopulver wurde noch mit Pottasche und Natronlauge angereichert, um einen pH-Wert von 7 zu erhalten. 1847 entwickelte die Firma Fry & Sons ein Verfahren, in dem die Kakaomasse mit einem weiteren Anteil Kakaobutter angereichert wurde. Damit hatte man eine gießbare Masse und die Herstellung der Tafel Schokolade war geboren. Damit ging natürlich einher, dass Kakaobutter teuer und Presskuchen billig wurde, wodurch der Kakao als Volksgetränk seinen Einzug nahm. Die teure Kakaobutter fand aber nicht nur in der Schokoladenherstellung ihre Verwendung, sondern auch die Kosmetik versucht zunehmend die Kakaobutter in ihre Produkte einzuarbeiten. Einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Schokoladengenuss entwickelte Rudolph Lindt. Er entdeckte, dass sich die Qualität einer Schokoladentafel erhöhen lässt, wenn die Partikelgröße der Schokoladenmasse verringert wird. Deshalb begann er die Masse zu conchieren und stellte fest, dass die Aromen noch stärker zur Ausprägung kommen und die Säuren sich verflüchtigen. Bei einer unkontrollierten Abkühlung der Kakaomasse kommt es zur polymorphen Kristallisation, in Abhängigkeit der Schmelzpunkte der verschiedenen Bestandteile. Inzwischen ist aber die Erwartung des Endverbrauchers so hoch, dass auch neben dem Geschmack der Schmelzpunkt der Schokolade im Mund zum Genuss beiträgt und so wird der Schokoladenkristallisation in der Herstellung großes Gewicht beigemessen. Diese Köstlichkeit, der verschiedene, nicht nachweisbare Eigenschaften zugeschrieben wurden, ist ein Genuss der alle Sinne anspricht. Christine Weber |
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