Veranstaltungen
Mi, 02.04.03 |
Printversion |
Prof. Dr. Richard P. Kreher (Dortmund)
"Lebensmittel auf dem analytischen Prüfstand
Vergiften - Verhungern - Verdauen?"
Vortrag
Die Analytik - die fachliche Kontrollinstanz der Chemie - ist den Spuren auf der Spur - sowohl in Lebensmitteln und Arzneimitteln, als auch in der Technik und in der Umwelt. Mit modernen Analysenverfahren ist es möglich, minimale Stoffmengen als Begleitstoffe oder als Rückstände in Lebensmitteln oder Futtermitteln zu bestimmen. Diese Spurenermittlungen bedingen Konzentrationsmaße, die ungewöhnlich und vor allem ungewohnt sind: durch Konzentrationsangaben werden häufig Irritationen ausgelöst, weil das Vorstellungsvermögen für Dimensionen und Größenordnungen überfordert bzw. unterfordert ist.
Ein sachbezogenes Urteilsvermögen muss als allgemeines Bildungsziel vermittelt werden, damit die Nachweisgrenzen nicht zu einem Verständnisproblem werden. In diesem Zusammenhang werden gesetzliche Definitionen für Lebensmittel kommentiert und Toleranzwerte definiert [ADI-Wert = Acceptable Daily Intake]. Die EG-Regelungen für die Etikettierung von Lebensmitteln und die Bedeutung der Kenndaten werden beurteilt und verglichen. Für gentechnische Kennzeichnungen gibt es unterschiedliche Festlegungen bezüglich der Signierungspflicht. Gen-Markierung ist eine sachdienliche Voraussetzung, um den Nachweis von Genallergien zu ermöglichen.
Vor- und Nachteile der Lebensmittel-Zusatzstoffe werden vergleichend dargelegt. Die Bedeutung von organischen Konservierungsstoffen wird aufgezeigt und die Beziehung zu Grenzwerten und Höchstmengen vermittelt. Lebensmittel-Farbstoffe werden strukturell vorgestellt sowie Funktionen und Wirkungen erklärt. Mit einer Übersicht über anorganische Verbindungen werden konträre Wirkungen als unerwünschte Begleitstoffe oder als essentielle Spurenelemente aufgezeigt. Die Bedeutung von Selen als Spurenelement mit einem spezifischen Wirkungsprofil wird exemplarisch dokumentiert.
Die emotional bedingte Unterscheidung zwischen natürlichen und synthetischen Stoffen wird exemplarisch als gegenstandslos belegt. Mit den informierenden und kommentierenden Darlegungen sollen keineswegs Gefahren relativiert werden, sondern das reale Gefährdungsrisiko eingegrenzt werden.
Lebensmittel sind - nach der gesetzlichen Definition - Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitendem Zustand vom Menschen verzehrt zu werden. Lebensmittel sind - aus der Sicht der Chemie - komplizierte Biomoleküle, die aus dem tierischen und pflanzlichen Organismus gewonnen werden. Biomoleküle haben eine faszinierende Chemie - aber keine andere Chemie als die Synthesemoleküle.
Ziel ist eine aufklärende Differenzierung von Gefahrenquellen und eine sachdienliche Deklarierung von Gefahrenursachen, um psychosomatische Auswirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden.
Die lapidare Konsequenz lautet: bei Massenprodukten von Nahrungsmitteln sind Kontrollen beim Anbau, dem Transport und der Lagerung und Reglementierungen unverzichtbar. Störfälle müssen aufgearbeitet und genutzt werden, um durch Ursachenforschung das Gefahrenrisiko zu begrenzen. Diese Folgerung gilt sowohl für Nitrofen - "dem ökologischen Sündenfall" als auch für Acrylamid - dem Abbauprodukt bei biogenen Bräunungsreaktionen von Aminosäuren. Magische Abkürzungen wie PCB (poly-chlorierte Biphenyle) oder Dioxine dürfen nicht gelöscht werden - bezüglich der emotionalen Erfahrungen und der technischen Verbesserungsmaßnahmen.
Transportwagen mit multifunktionellen Ladungen sind ein immanentes Risiko, da die kontrollierte Reinigung ein personelles, fachliches und juristisches Problem ist; die gleiche Erfahrung gilt für Lagerhallen.
Die Rangfolge der Risiken sollte sich an Fakten und Folgen orientieren und nicht durch mediale Emotionen reguliert werden.
Lebensmittel sind Chemikalien - mit Geschmack und Geruch, mit Farbe und Optik. In vielen Fällen ist nicht die Umwelt und die Anbauart das Problem, sondern die moderne Analytik als Kontrollinstanz.
Fazit: Produktqualität muss vom Hersteller überprüft und garantiert werden, damit die Chemie stimmt. Qualitätsmanagement bedeutet: Kontrolle am Anfang - und nicht Kontrolle am Ende. Die Chemie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätskontrolle als auch zur Qualitätsgarantie.
Bilder der Veranstaltung »
Biographie Richard P. Kreher »