Home • Kontakt • FAQ • Anmeldung • Anfahrt • Impressum • Datenschutz • 

Institut Dr. Flad
Berufskolleg für Chemie, Pharmazie, Biotechnologie und Umwelt

Ausbildung mit Markenzeichen. Seit 1951.

« zurück zur Übersicht - Wettbewerb Umweltfreundlicher Chemieunterricht

Wettbewerb Umweltfreundlicher ChemieunterrichtWettbewerb Umweltfreundlicher Chemieunterricht

 

Beitrag des Wettbewerbes 2000:

 

Die Spannungsreihe der Metalle "klein aber fein"- Ästhetik im Mikrokosmos
Marco Oetken, Universität Oldenburg (Preisträger)

als PDF-Datei (161 KB)

Einleitung
Experimente
Der Zinkbaum - Versuch 1 - Versuch 2a - Versuch 2b
Der Bleibaum - Versuch 3
Der Kupferbaum - Versuch 4a - Versuch 4b
Der Silberbaum - Versuch 5a - Versuch 5b
Fachübergreifende Aspekte
Literatur

 
Einleitung

Die Redoxreihe und die Fällungs- bzw. Verdrängungsreihe der Metalle sind elementare Ordnungsprinzipien für die Einteilung chemischer Reaktionen und begleiten die Schüler daher vom Anfangsunterricht bis in die Oberstufe. Der vorliegende Artikel zeigt, dass eine Erarbeitung dieses wichtigen Themenfeldes auch im Sinne eines Konzeptes zur Minimierung von Substanzen und Kosten erfolgen kann.

Die Untersuchung der vorgestellten Zementationsreaktionen unter dem Mikroskop eröffnet den Schülern einen motivierenden und faszinierenden Einblick in den Mikroskosmos der elektrochemischen Metallabscheidung. Neben den gewohnten Versuchen zur Fällungsreihe der Metalle lassen sich auch Aluminium und Wasserstoff überzeugend integrieren.

Der Intention folgend nach einem möglichst "Abfallfreien Chemieunterricht" und dem Einsatz von "Low-cost-Experimenten" ergibt sich ferner die Möglichkeit, im Sinne eines fächerverbindenden Unterrichtes Bezüge zur fraktalen Geometrie herzustellen. Sonst eher theoretische Inhalte der Physik und Mathematik können nun durch einfache ästhetische Experimente mit" Leben" erfüllt werden. Alle vorgestellten Reaktionen fahren innerhalb von 2 bis 3 Minuten zu fraktalen, selbstähnlichen Metallaggregaten, die sich sogar mit Hilfe eines Computerprogramms simulieren lassen.

 
Experimentezurück zur Übersicht

Die angegebenen Konzentrationen der Lösungen sind nur Richtwerte und müssen nicht exakt eingehalten werden. Die verwendeten Metalle sollten vorher abgeschmirgelt werden und etwa folgende Maße haben: 1 cm x 0,2 cm.

 
Der Zinkbaum - Versuch 1zurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Magnesium, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Zinksulfat-Lösung, c(ZnS04) = 1 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Zinksulfat-Lösung auf den Magnesiummetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 1 00facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Nach einigen Minuten erkennt man unter dem Mikroskop relativ kleine Zinkbäumchen. Die ablaufende elektrochemische Reaktion kann wie folgt formuliert werden:

Mg(s) + Zn2+(aq)      Mg2+(aq) + Zn(s)

Die Entwicklung von Wasserstoffbläschen gemäß

Mg(s) + 2H2O(l)      Mg2+(aq) + 2OH-(aq) + H2(g)

kann die Ausbildung der Metallbäumchen zu Beginn der Reaktion beeinträchtigen.

 
Der Zinkbaum - Versuch 2azurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Zink, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Zinksulfat-Lösung, c(SnSO4) 0,5 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Lösung auf den Zinkmetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 1 00facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Sofort nach dem Zutropfen der Zinksalz-Lösung entsteht ein dichter "Wald" von metallischem Zinn. Die ablaufende elektrochemische Reaktion kam wie folgt formuliert werden:

Zn(s) + Sn2+(aq)      Zn2+(aq) + Sn(s)

 
Der Zinkbaum - Versuch 2bzurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Aluminium, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Zinnchlorid-Lösung, c(SnCl2) = 0,5 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Zinnchlorid-Lösung auf den Aluminiummetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 100facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Sofort nach dem Zutropfen der Zinnsalz-Lösung entsteht ein dichter "Wald" von metallischem Zinn. Das elektrochemisch sehr reaktionsträge passivierte Aluminium reagiert infolge der oxidschichtabbauenden Chlorid-Ionen [ 1 ] gemäß

Al3+ (Oxidschicht) + 4 Cl-(aq)      AlCl4-(aq)

mit den Zinn-Ionen. Die ablaufende Redoxreaktion kann wie folgt formuliert werden:

2Al(s) + 3Sn2+ (aq)      2Al3+ (aq) + 3Sn(s)

Die Entwicklung von Wasserstoffbläschen kann wie in Versuch 2a die Ausbildung der Metallbäumchen zu Beginn der Reaktion beeinträchtigen.

 
Der Bleibaum - Versuch 3zurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Zink, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Bleinitrat-Lösung, c(Pb(N03)2) = 1 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Bleinitrat-Lösung auf den Zinkmetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 1 00facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: 2 bis 3 Minuten nach dem Zutropfen der Bleinitrat-Lösung entsteht ein dichter "Nadelbaumwald" von schwarzem, metallischen Bleikristallen (siehe Abb. 1). Die ablaufende elektrochemische Reaktion kann wie folgt formuliert werden:

Zn(s) + Pb2+(aq)      Zn2+(aq) + Pb(s)

 
Der Kupferbaum - Versuch 4azurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Zink oder Blei, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Kupfersulfat-Lösung, C(CuSO4) = 1 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Kupfersulfat-Lösung auf den Zink- bzw. Bleimetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 1 00facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Nach 2 bis 3 Minuten entsteht ein wunderschöner strauchartiger Kupferbaum. Der Effekt ist wie zu erwarten bei Einsatz eines Zinkbleches deutlicher. Falls in der Biologiesammlung vorhanden, bietet es sich an, den Kupferbaum mit einem Stereomikroskop zu untersuchen, da bei geeigneter Ausleuchtung das Metallbäumchen in seiner charakteristischen kupferroten Farbe erkennbar ist.

Die ablaufenden elektrochemischen Reaktionen können wie folgt formuliert werden:

Zn(s) + Cu2+(aq)      Zn2+ (aq) + Cu(s)

Pb(s) + Cu2+(aq)      Pb2+(aq) + Cu(s)

 
Der Kupferbaum - Versuch 4bzurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Aluminium, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Kupferchlorid-Lösung, C(CuCl2) = 0,5 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Kupferchlorid-Lösung auf den Aluminiummetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 100facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Sofort nach dem Zutropfen der Kupferchlorid-Lösung entsteht ein dichter "Wald" von metallischem Kupfer. Zu Beginn der Reaktion wird die Ausbildung der Kupferbäumchen durch die Wasserstoffbildung leicht beeinträchtigt. Auch hier wird wie in Versuch 2b das passivierte Aluminium durch die Chlorid-Ionen aktiviert, wodurch das Aluminium die Verhaltensweisen zeigt, die aufgrund des tabellierten Normalpotentials von -1,66 V gegen NHE zu erwarten sind.

Die ablaufende Redoxreaktion kann wie folgt formuliert werden:

2AI(s) + 3Cu2+(aq)      2Al3+(aq) + 3Cu(s)

Die Entwicklung von Wasserstoffbläschen beeinträchtigt zu Beginn der Reaktion die Ausbildung der Metallbäumchen.

 
Der Silberbaum - Versuch 5azurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Metallstreifen Zink oder Kupfer, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, Silbernitrat-Lösung, c(AgN03) = 0,1 mol/l

Durchführung: Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Silbernitrat-Lösung auf den Zink- bzw. Kupfermetallstreifen und mikroskopiert bei ca. 100facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: Sofort nach Zugabe der Silbernitrat-Lösung entstehen Silberbäume mit langen Nadeln (siehe Abb. 2). Auch hier bietet sich die Untersuchung mit einem Stereomikroskop an, da die Bäumchen dann in dem typischen silberfarbenen Glanz erscheinen.

Die ablaufenden elektrochemischen Reaktionen können wie folgt formuliert werden:

Zn(s) + 2Ag+(aq)      Zn2+(aq) + 2Ag(s)

Cu(s) + 2Ag+(aq)      Cu2+ (aq) + 2Ag(s)

 
Der Silberbaum - Versuch 5b: Einordnung von Wasserstoff [2]zurück zur Übersicht

Geräte / Chemikalien: Kleine Graphitstücke, 100 ml Becherglas, Gleichspannungsquelle, Kabelmaterial, Pasteurpipette, Objektträger, Mikroskop, verd. Schwefelsäure, Silbernitrat-Lösung, c(AgNO3) = 0,1 mol/l.

Durchführung: Man taucht zwei kleine Graphitstücke in verdünnte Schwefelsäure, verbindet sie leitend und elektrolysiert ca. 30 Sekunden bei 5 V. Das mit Wasserstoff beladene Graphitstück (Minuspol) wird auf den Objektträger gelegt. Man gibt 2 bis 3 Tropfen der Silbernitrat-Lösung auf das Graphitstück und mikroskopiert bei ca. 100facher Vergrößerung.

Beobachtung / Auswertung: An den Randbereichen des Graphitstücks entstehen wiederum schöne Silberbäume. Molekularer Wasserstoff kann bekanntermaßen keine Metalle aus den entsprechenden Metallsalz-Lösungen ausfällen. An Graphitoberflächen ist der Wasserstoff jedoch atomar chemisorbiert und kann somit in die Spannungsreihe eingeordnet werden. Die ablaufende elektrochemische Reaktion kann wie folgt formuliert werden:

2H(ads) + 2Ag+(aq)      2Ag(s) + H+(aq)

Entsprechende Ergebnisse erhält man auch bei der Verwendung von Kupfer- oder Bleisalzlösungen.

 
Fachübergreifende Aspektezurück zur Übersicht

Wie in der Einleitung bereits angeführt, eröffnet sich mit der mathematischen Modellierung elektrochemischer Abscheidungsprozesse die Möglichkeit, im Sinne eines fachübergreifenden Chemieunterrichtes Bezüge zur fraktalen Geometrie herzustellen.

Die Aggregation kleinster Teilchen, wie beispielsweise die in diesem Bericht vorgestellten Zementationsreaktionen, können durch die neuen Erkenntnisse der fraktalen Geometrie eine außerordentliche Neubelebung erfahren. Der Wachstumsalgorithmus der unter den Mikroskop beobachtbaren Strukturen basiert im Kern aus einer Kopplung zufälliger Einflüsse und deterministischer Wachstumsregeln [3, 4].

Abb. 1 Abb. 2
Abb. 1: Bleibaum bei 1:100facher Vergrößerung Abb. 2: Silberbaum bei 1:100facher Vergrößerung

 
Ein äußerst einfaches Modell zur Simulation diffusionsgesteuerter Abscheidungsprozesse (diffusion limited aggregation, DLA) ist von Witten und Sander entwickelt worden [5]. In den Ursprung eines zweidimensionalen Koordinatensystems wird ein Teilchen fixiert (Keim). Ein zweites Teilchen lässt man dann in der Simulation von einem zufällig gewählten Startpunkt aus auf einen um den Ursprung liegenden Einflussbereich einen random walk ausführen, bis es irgendwann den Keim erreicht und daran haften bleibt. Dieser Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden und es entsteht ein Cluster (Witten-Sander-Modellcluster), das mit den fraktalen Strukturen unter dem Mikroskop große Ähnlichkeit hat. Während sich die Teilchen bei den ersten Simulationsdurchgängen rein zufällig an den Keim anlagern und kleinste Auswüchse erzeugen, so ist für die nachfolgenden Teilchen die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, an diesen Auswüchsen hängen zu bleiben, als in filigrane "Fjorde" einzudiffundieren, womit sich die dendritische, zerklüftete Gestalt des Clusters erklären lässt. Durch Ausschnittsvergrößerung ist die für Fraktale bedeutsame Eigenschaft der Selbstähnlichkeit zu erkennen. Wie bei den realen Laborexperimenten, ist die zerklüftete Gestalt der Cluster gewissermaßen vorprogrammiert, bei der konkreten Ausgestaltung führt jedoch der Zufall Regie oder - um es mit den Worten von Goethe zu formulieren:

Was ist das Allgemeine?
Der einzelne Fall.
Was ist das Besondere?
Millionen Fälle. [6]

Die Abb. 3 zeigt das Ergebnis einer Simulation, die mit dem Fraktalgeneratorprogramm Fractint erzeugt wurde. Wählt man unter dem Menüpunkt "Fractals" die Option "Fraktal Formula" und klickt den Punkt "diffusion" an, berechnet das Programm ein Fraktal nach der DLA-Methode. Das Programm Fractint kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden [7].

Abb. 3 Abb. 4
Abb. 3: Ergebnis der Simulation von DLA durch das Programm Fractint Abb. 4: Verbesserte Simulation von DLA nach Kaufman

Das einfache DLA-Modell von Witten und Sander ist heute vielfältig erweitert worden. Mit verschiedenen mathematischen Veränderungen der Wachstumsalgorithmen sind die Simulationen z.T. erheblich verbessert worden, es sei auf weiterführende Literatur verwiesen [4, 8]. Die Abb. 4 zeigt ein verbessertes Modellcluster nach Kaufman.

 
Literaturzurück zur Übersicht

  1. Van der Veer, W.; de Rijke, P.; Oetken, M.; Jansen, W.: Das Aluminium in der Verdrängungs- und Spannungsreihe der Metalle; CHEMKON 4, 177-183 (1996)
  2. Glöckner, W.; Jansen, W.; Weissenhorn, R.G.: Handbuch der experimentellen Chemie, Band 6: Elektrochernie, Aulis Verlag 1994, S. 229
  3. Schlichting, H. J.: Schöne fraktale Welt - Annäherung an ein neues Konzept der Naturwissenschaften; MNU 45,202 (1992)
  4. Peitgen, H. 0.; Jürgens, H.; Saupe, D.: Bausteine des Chaos Fraktale; Springer-Verlag Klett-Cotta 1992
  5. Witten, T. A.; Sander, L. M.: Diffusion-limited Aggregation; Phys. Rev. B 27 (1983) 5686
  6. Deutsch, A.: Muster des Lebendigen Faszination ihrer Entstehung und Simulation; Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft, Braunschweig/Wiesbaden, 1994, S. 16
  7. http://spanky.triumf.ca/www/fractint/getting.html
  8. Bunde, A.; Havlin, S.: Fractals in Science; Springer Verlag Berlin Heidelberg 1995
  9. http://apricot.ap.polyu.edu.hk/dla/dla.html

 

zur Übersicht über die Beiträge des Wettbewerbes 2000